The dark side of Tulum
Wir sind mittlerweile definitiv einen Overlander-Level weiter aufgestiegen. Verlief im ersten Teil unserer Reise (bevor wir für 5 Monate in die Schweiz zurückkehrten) fast alles reibungslos und nach Plan, haben wir das Gefühl, dass wir seit dem Start des zweiten Teils allmählich auf unsere Vanlife-Tauglichkeit geprüft werden. Erst gings Baloo an den Kragen mit einem platten Reifen am ersten Tag unserer Rückkehr (noch kein grosses Problem) und anschliessend einem kaputten Hubdach (schon ein etwas grösseres Problem). Als wir dies erfolgreich gelöst und einen 4-wöchigen Sprachkurs in Tulum begonnen hatten, dauerte es nicht lange, bis es auch uns bzw. mich voll erwischte. Eine halbe Woche lang lag ich mit starkem Durchfall und Fieber im Bett bis ich mich aufraffte und mich in einem Spital untersuchen liess.
Diagnose: Amöbenruhr (wenn’s um die Gesundheit geht, ist nicht mehr zu Spassen).
Mittlerweile geht es mir zum Glück wieder gut und ich kann den Zwischenfall als lehrreiche Erfahrung mit interessantem Einblick ins mexikanische Gesundheitssystem abbuchen:
Da wir von unseren Lehrern in der Sprachschule schon vor den hohen Gringo-Preisen für eine Konsultation im Spital von Tulum gewarnt wurden, war meine erste Anlaufstelle der Gassenarzt. In einem schmalen dunklen Gang hinter der Apotheke bei uns um die Ecke befindet sich eine schief hängende zerschlagene Tür mit angeheftetem DIN A4-Papier, das die Lettern „CONSULTA“ trägt. Nach zweimaligem Klopfen öffnete uns ein in die Jahre gekommener Mann mit typischem mexikanischem Look: Schmale Statur mit grossem Bauch. Schwarze Haare mit Pilzfrisur. Ich versuche ihm so gut es geht meine Beschwerden zu erklären. Noch während ich meine zuvor erarbeitete Liste mit Symptomen in Spanisch fertig herunterlesen konnte, wurde mir ein Rezept für irgendein Antibiotikum entgegengestreckt. Seine hingekritzelten Hieroglyphen zu entziffern war aber unmöglich und so landete das Stück Papier alsbald im nächsten Abfalleimer.
Kostenpunkt: 50 Pesos (2.60 CHF).
Nach einer weiteren Nacht ohne Besserung rang ich mich dann doch dazu durch ins Spital zu gehen. Der Empfangsbereich sah sehr modern und sauber aus. Immerhin schien es so, dass hier „richtige“ Mediziner arbeiten. Bevor ich aber einen Arzt zu Gesicht bekam, musste ich erst einmal 50 USD für die Konsultation hinblättern (Einheimische zahlen dafür lediglich 50 Pesos, also 20x weniger). Danach wurde ich noch im Wartebereich vermessen, gewogen und es wurden Puls und Blutdruck kontrolliert. Nach ca. 15 Minuten Wartezeit durfte ich dann ein separates Zimmer, wo eine Ärztin auf mich wartete, die sogar ziemlich gut Englisch sprach. Nach einer grundlegenden Untersuchung und anhand meiner Symptome, die alle auf eine Lebensmittelvergiftung hindeuteten, empfahl sie mir eine Stuhlprobe abzugeben, damit die Ursache meiner Beschwerden geklärt werden und sie mir eine gezielte Behandlung verschreiben kann. Alles in allem war ich positiv von der Beratung überrascht, die sich kaum von solch einer in der Schweiz unterschied.
Die Stuhlprobe gab es nur beim Empfang und wiederum musste ich meine Kreditkarte über den Tresen schieben, bevor weitere Schritte folgten. Natürlich fragte ich erst nach dem Preis, den man mir nach einem tête-à-tête im Nebenzimmer und reichlich Getuschel offenbarte. Mir wurde eine Stuhluntersuchung inkl. Test-Kit für 130 USD offeriert.
Für diejenigen, die es nicht wissen: Ich hatte in der Schweiz in der Lebensmittelbranche gearbeitet und hatte während meiner Tätigkeit mit analytischen Untersuchungen zu tun gehabt, resp. ich hatte regelmässig Proben an externe Labors gesendet. Da hatte ich natürlich eine gewisse Vorstellung davon, was so eine Untersuchung ungefähr kostet. 130 USD schien mir ein stolzer Preis zu sein.
Ich muss so perplex auf die Ziffer auf dem zerrissenen Fresszettel vor mir geschaut haben, dass der zuständige Mitarbeiter sich nochmals hintersann und den Preis auf 50 USD herunterkorrigierte. Den Grund dafür habe ich nicht ganz verstanden, aber dieser Preis lag nun schon eher in der Preisspanne, die ich mir vorgestellt hatte und steckte schliesslich meine Kreditkarte ins Terminal.
Anschliessend bekam ich mein „Test-Kit“ zur Probenahme … also einen sterilen transparenten Becher mit rotem Schraubverschlussdeckel und sonst nichts. In der Schweiz enthalten diese Kits einige weitere Komponenten, wie zum Beispiel einen Löffel für eine saubere Probenahme, eine Anleitung wie man die Probe zu beschriften hat oder eine Papiertüte, dass bei der Abgabe der Probe eine gewisse Diskretion gewährleistet werden kann. Als ich hier nach einem sterilen Löffel fragte, bekam ich als Antwort lediglich ein müdes Lächeln. Es hat dann aber auch so geklappt und ich erhielt noch am selben Tag meine Diagnose inkl. Rezept für eine geeignete Antibiotika Therapie. Die Tabletten für die 10-tägige Behandlung konnte ich übrigens anschliessend für xx USD in der Apotheke nebenan kaufen.
Auch lustig: Bei der Kontrolle der Kreditkartenabrechnung haben wir später bemerkt, dass bei der Zahlung wohl ein Fehler unterlaufen ist und Pesos statt US-Dollar abgebucht wurden - Tja, das ist dann wohl Karma!
Obwohl ich zuvor noch nie etwas von Amöben in meinem Leben gehört habe, scheint die Infektion mit dem Parasiten hier in Mexiko - insbesondere in Tulum – ein allgegenwärtiges Thema zu sein und stellt dementsprechend auch eine ziemlich grosses Problem resp. eine Gefahr dar. Viele Leute sind unbemerkt Träger von Amöben. Aufgrund schlechter Körperhygiene und mangelhafter Infrastruktur verbreitet sich die Krankheit schnell. Tulum ist ein Ort, der wie Cancun und Playa del Carmen in den letzten Jahren sehr schnell, gar rekordverdächtig gewachsen ist. Man hat grosse Probleme die riesigen Menschenmassen, die sich hier jeden Tag einfinden zu handeln und kommt nicht nach mit der Bereitstellung der nötigen Infrastruktur. Dazu haben wir folgenden interessanten Dokumentarfilm gesehen:
Eigentlich waren wir ja nach Tulum gekommen, um Spanisch zu lernen und nicht um krank zu werden. Auch wenn ich nicht an allen Lektionen teilnehmen konnte, haben wir doch einiges gelernt und fühlen uns nun deutlich sicherer mit der Kommunikation in Spanisch. Während der 4 Wochen Sprachschule in Tulum mieteten wir ein Airbnb und haben hauptsächlich die Klimaanlage im Zimmer genossen und natürlich gebüffelt. Ein paar Ausflüge haben wir aber trotzdem gemacht:
Coba RuinenSchnorcheln in Akumal
Sprachschule Meztli