Letzte Tage in Mexiko
Nach einem Monat in Tulum ist es Zeit für uns weiterzuziehen und endlich tiefer nach Zentralamerika vorzudringen. Bevor es losgehen kann, müssen wir aber noch diverse Erledigungen machen: Tanken, Handyguthaben aufladen, Wasser auffüllen, Einkaufen, Mittagessen … und schon ist wieder ein halber Tag um.
Wir sind ja nun schon fast ein halbes Jahr in Mexiko, wenn man die Tage vor unserer Heimreise und diese seit unserer Rückkehr zusammenzählt. Irgendwie sind wir in dieser ganzen Zeit nicht richtig warm geworden mit dem Land und wissen ehrlichgesagt selbst nicht genau woran das liegt. Ist es das Spanisch, das wir anfangs nicht oder kaum konnten? Sind es die Menschen, die wir als weniger offen empfunden haben als uns von verschiedenen Seiten versichert wurde? Ist es die Tatsache, dass es hier kaum mehr Möglichkeiten zum Wildcampen in freier Natur gibt, da das Land sehr dicht besiedelt ist? Oder ist es die lateinamerikanische Kultur generell? – Zwischendurch zweifeln wir regelrecht daran, ob uns das Reisen südlich des perfekten Roadtrip-Landes USA überhaupt so gut gefällt und gefallen wird, wie wir uns das vorgestellt hatten. Versteht mich nicht falsch – auch Mexiko hat wunderbare Naturerben, besondere Landschaften, exotische Tiere und vor allem kulturelle Highlights zu bieten und wir haben auch hier supernette gastfreundliche Menschen kennengelernt und möchten die Zeit hier nicht missen. Dennoch hat es uns immer schnell weitergezogen, wenn wir an einem Ort angekommen waren, was auch momentan der Fall ist. Wir sind bereit für das nächste Land.
Auf dem Weg nach Belize gibt es aber dennoch ein paar wenige Orte, die wir hier in der Gegend noch nicht gesehen haben und besuchen wollen. Ausserdem wollen wir auch meine komplette Genesung abwarten, bevor wir das Land verlassen. Unser erstes Ziel heisst Punta Allen. Dies ist eine Landzunge südlich von Tulum und kann auch nur von hier aus erreicht werden. Auch wenn es uns im letzten Monat gelungen ist, die «Zona Hotelera» (der Ort Tulum liegt ca. 5km landeinwärts und ist somit räumlich von den ganzen Hotelkomplexen am Strand getrennt) zu meiden, kommen wir nun nicht drum herum diese zu passieren, um an unser Ziel zu kommen.
«Uns trifft der Schlag» ist noch gelinde ausgedrückt, um unsere Gefühlslage zu beschreiben als wir kurz vor dem Erreichen des Meeres rechts abbiegen und der «Küstenstrasse» entlangfahren. Der Blick auf das Meer bleibt einem leider heutzutage verwehrt. Ein Hotelkomplex reiht sich an den Nächsten, die Strasse ist so dermassen ausgefahren, dass man eigentlich nur noch eine Spur nutzen kann (was ein riesiges Verkehrschaos nach sich zieht), das Rattern der Generatoren (um genügend Strom für die Bedürfnisse der ganzen Badegäste generieren zu können) donnert noch schmerzlicher in unseren Ohren als die allgegenwärtigen Böller, die hier in Mexiko zum täglich Brot gehören und es stinkt … sorry für den Ausdruck … nach Scheisse. Man kann es aber nicht anders sagen, weil es tatsächlich Scheisse ist, die hier von den Hotels im Übermass irgendwo im Boden versickert.
So viel zum Thema ökofreundliches Tulum! Steckt euch eure Papier- und Bambus-Röhrli sonst wo hin. Wir sind raus!
Kaum passieren wir das letzte Hotel und somit auch gleich die Grenze zum Naturreservat Sian Ka’an, kehrt Ruhe ein. Wir geniessen es, der palmengesäumten Strasse entlang zu fahren und sehen nun auch das erste Mal seit Langem wieder das Meer. Bereits auf halber Strecke nach Punta Allen finden wir einen perfekten Stellplatz, der zu unserer Überraschung noch frei ist, bleiben frühzeitig stehen und schlagen unser Nachtlager auf. Nachdem wir den Sand im Umkreis von ca. 5 Metern um unser Auto vom Äquivalent von 2 vollen 35-Liter-Säcken Müll befreit haben, öffnen wir ein Bier und schauen glücklich auf die Brandung hinaus. Es ist zwar heiss, aber es geht eine leichte Brise, die unsere Körpertemperaturen auf angenehme 36,8°C herunterkühlt. Konkret bedeutet das: Bei absoluter Bewegungslosigkeit produzieren unsere Körper geradeso keinen Schweiss.
JACKPOT! Der perfekte Wildcampingplatz, denken wir!
Es wird langsam dunkel, wir werden müde und gehen zu Bett. Dank unserem Dachzelt, das wir bis auf das Mückennetz öffnen können, werden wir auch im Bett von einem leichten Durchzug gekühlt und schlafen schnell ein. Nach etwa zwei Stunden wachen wir aber beide fast zeitgleich aufgrund eines unerträglichen Juckreizes auf. Unsere Körper brennen und schmerzen an jeder erdenklichen Stelle, wir sind übersät mit roten Punkten und ich würde mich am liebsten eingraben oder noch besser: Die Haut vom Laibe reissen. Nur, was ist passiert? Wir haben vor dem Einschlafen noch das ganze Auto auf Mücken gecheckt und einige dieser Plagegeister eliminiert. Falls noch eine übrig geblieben wäre, würde die nicht ein solches Massaker anrichten können. Und seit der Dachreparatur sollte nun definitiv auch alles dicht sein.
Wir führen nun zwar einer dieser batteriebetriebenen Bite-Away Sticks mit, den wir als verfrühtes Weihnachtsgeschenk zugeschickt bekommen haben. Mit diesem Gerät kann man den Juckreiz neutralisieren, was wir in den letzten Tagen auch schon rege mit positivem Ergebnis bei vereinzelten Stichen getestet haben. Bei dem jetzigen Ausmass, hilft aber auch der nicht mehr weiter…
Wir holen die Taschenlampen hervor und durchsuchen unser Auto Stück für Stück, um den Übeltätern auf die Spur zu kommen. Da sehen wir sie an der Decke … zu hunderten bewegen sich hier nanokleine «No-see-ums», die sich köstlich an unserem All-you-can-eat-Buffet vollgefressen haben. Die Dinger sind so klein, dass man sie erst bemerkt, wenn sie schon ein Stückchen Haut aus einem rausgefressen haben und die Stelle fürchterlich zu jucken beginnt. Aufgrund ihrer Grösse konnten sie natürlich problemlos durch unser Mückennetz ins Autoinnere gelangen. In dieser Nacht ist es unmöglich die Tiere loszuwerden und so haben wir die Wahl zwischen: 1. Bei lebendigem Leib gefressen zu werden oder 2. Den Körper komplett unter der Decke zu verstecken und die Schweissproduktion in Vollbetrieb laufen zu lassen. Wir entscheiden uns für Letzteres und packen unsere Sachen am nächsten Morgen schnell wieder zusammen.
Nach dieser schmerzlichen Erfahrung machen wir erst Halt an der Bahia Soliman, wo wir ein paar Tage das Meer geniessen und ab und zu in der Bucht schnorcheln, dann in Mahahual, einem kleinen touristischen (viele Kreuzfahrtschiffe halten hier) Örtchen am Meer, in dem wir eigentlich mit Schildkröten schnorcheln wollten, dies aber aufgrund von starkem Wind lassen müssen. Weiter legen wir noch einen Zwischenstopp im geliebten Bacalar ein, wo wir eine Bootstour auf der Lagune machen und schliesslich bereiten wir uns in Chetumal auf den Grenzübertritt nach Belize und somit das vierte Land auf unserer Reise vor.