Schiff Ahoi
Nach einer voll krassen Taxifahrt („In 100m biege krass links ab“ / „Nächste Kreusung fährs du rechs“) stehen wir nun wieder an derselben Stelle, wie schon vor einigen Tagen, als wir Baloo abgegeben haben – beim Terminal O’Swaldkai. Während wir im Innenraum auf unseren Shuttlebus warten, der uns zur „Atlantic Sail“ bringen soll, fragen wir uns noch, ob der Taxifahrer osteuropäischer Herkunft eben sein Deutsch vom Navi gelernt hat oder umgekehrt. Lange haben wir aber nicht Zeit darüber zu rätseln, denn schon nach kurzer Zeit steht der Shuttle vor der Tür.
Nur wenige Minuten später stehen wir im Schatten unserer neuen Unterkunft für die nächsten zwei Wochen. Über die grösste Fahrzeugrampe, die je für ein RoRo-Schiff gebaut wurde, gelangen wir ins Innere dieses Giganten. Die Atlantic Sail ist eine von 5 Schwesterschiffen der ACL (Atlantic Container Line) und knappe 300 Meter lang, sowie 40 Meter breit. Sie wurde 2016 in China gebaut und ist das grösste Schiff mit der Kombination Container / RoRo, das momentan auf dem Atlantik rumtuckert.
Kaum an Bord, lernen wir auch gleich unsere Mitpassagiere kennen - alles Weltenbummler, die interessante Geschichten von Nah und Fern zu erzählen haben. Frederike und Eckard kommen aus Stuttgart und verschiffen ebenfalls ihren Toyota Landcruiser, um dann ein Jahr lang in Nordamerika zu reisen. Maren aus Hamburg nimmt sich eine einjährige Auszeit und wird in Kanada arbeiten, reisen und surfen. Und Elfriede und Gunter aus Österreich haben schon etliche Frachtschiffreisen hinter sich und erweitern ihr Palmarès mit dieser hier. Sie werden nach 35 Tagen wieder in Hamburg von Bord gehen.
Die ersten Tage auf diesem Superfrachter verbringen wir hauptsächlich angelegt an den Häfen in Hamburg und, nach einem eintägigen Intermezzo auf der Nordsee, in Antwerpen. Der Schiffsverkehr zwischen diesen beiden Häfen ist enorm, sozusagen eine Schiffsautobahn, die wir mit 30 km/h entlangrasen. Ein paar Container waren wohl mit der Schneckenpost unterwegs und so warten wir in Letzterem zwei volle Tage auf die Fehlenden.
Den zusätzlichen Tag in Antwerpen nutzen wir, um an Land zu gehen und uns die Altstadt anzusehen, welche äusserst empfehlenswert ist. Fünf alte Kathedralen zieren die Stadt, welche ausserdem mit einem pompösen Hauptbahnhof auftrumpfen kann. Ein Meisterwerk der Architektur!
Auch einen weiteren Halt in Liverpool nutzen wir, um uns etwas die Füsse zu vertreten, bevor wir für 8 Tage kein Land mehr sehen werden. Liverpool ist vor allem bekannt, da es sozusagen die Geburtsstätte der Beatles ist, also der Ort, an dem sich John Lennon und Paul McCartney das erste Mal trafen – der Rest ist Musikgeschichte. Daher beatelt es hier in allen Ecken der Stadt. Wir schlendern durch die Mathew Street, wo sich das Cavern Pub befindet. Ein Ort, wo die Beatles und auch viele andere namhafte Bands auftraten. Nach einem Fish und Chips-Lunch im Irish Pub inkl. Guinness natürlich, arbeiten wir uns weiter vor zur Waterfront und enden vor dem Nachtessen bei der Kathedrale.
Der Alltag auf einem Containerschiff
Nachdem wir den europäischen Boden verlassen haben gibt es nichts mehr ausser dem Meer und uns. Unser Alltag wird von 3 fixen Essenzeiten bestimmt (Morgenessen: 07.30 – 08.30 / Mittagessen: 11.30 – 12.30 / Nachtessen: 17.30 – 18.30), ansonsten gibt es die Möglichkeit den Fitnessraum (bestehend aus ein paar Geräten) und die Sauna zu nutzen, Tischtennis zu spielen oder in unserem Fall eine Staffel «Game of Thrones» und diverse weitere Filme zu schauen. Zur Abwechslung gibt uns die Crew „Touren“ auf dem Schiff. Dazu gehören Rundgänge auf den verschiedenen Ladedecks, wo Baloo steht und neben ihm gigantische Landmaschinen, Bagger und nigelnagelneue Jaguars oder auch runter zu den Containern und zum Bug, wo das Wasser gefühlt nur noch eine Haaresbreite entfernt ist.
Wir haben Glück mit dem Kapitän, der uns zudem erlaubt zu allen Tages- und Nachtzeiten auf der Brücke zu sein und den Offizieren bei der Arbeit zuzusehen. Gearbeitet wird in 4-Stunden-Schichten (4h Arbeiten / 4h Pikettdienst / 4h Schlaf), damit die Offiziere aufmerksam bleiben. Sie geben Mathias Auskunft über all den technischen Kram, den er wissen will und ich darf mit dem Feldstecher nach Delfinen suchen. Über die Ausbeute können wir uns nicht beklagen. Wir haben bis zum Schluss 5 Wale und viele Delfine beobachten können.
Wir können auch beim Abendprogramm der Crew teilnehmen, die aus 22 Mann, grösstenteils philippinischer Herkunft, und 2 Lehrlingen (Kadetten) besteht. Wir lernen: Philippinos mögen…nein lieben Karaoke.
Wie das Essen so ist, wollt ihr noch wissen? – Naja, sagen wir mal so: Grundsätzlich nicht schlecht, es gibt immer frischen Salat, Früchte und Gemüse und die Menüs sind auch meistens lecker. Nur bei einzelnen Gerichten wären mir ein Burger vom «Jung und Frech» oder meinetwegen auch ein Menü des SV Service in Bümpliz lieber gewesen. Einige Menükombinationen sind ziemlich witzig (Fried Chicken mit Spaghetti Bolognese UND Pizza als Beilage) und es gibt zu jeder Mahlzeit Fleisch…ich habe mir zwischenzeitlich überlegt, ob ich Vegetarier werden soll. Dem italienischen Mitpassagier, der in Antwerpen dazukam, scheint es jedoch gar nicht zu gefallen, jedenfalls eröffnete er das Gespräch mit uns mit den Worten: «the food is not high quality here».
Der Wetterballon
Die Atlantic Sail nimmt an der Forschung vom deutschen Wetterdienst teil. Dafür muss zweimal pro Tag innerhalb eines bestimmten Zeitfensters ein Heliumballon mit einem Sensor in den Himmel gelassen werden. Für jeden Ballon, der eine Flughöhe von 1000 Meter übersteigt, erhält die Crew 30 Euro. Natürlich schaffen dies bei den harschen Wetterbedingungen nicht alle, aber es gibt auch Überflieger. Der Rekordballon schaffte es auf 25'000 Meter.
Apropos Wetter: Wir haben uns gewundert, ob wir vielleicht Eisberge sehen werden auf der Überfahrt. Risto, der erste Offizier, entgegnete allerdings auf unsere Frage «You don’t wanna see icebergs». Sie stellen auch in der heutigen Zeit immer noch eine grosse Gefahr für Schiffe dar, da nicht alle vom Radar geortet werden können. Aus diesem Grund hält von der Brücke aus ständig jemand Ausschau und wir mussten unseren ursprünglichen Kurs auf eine südlichere Route ändern aufgrund einer Eisbergwarnung.
Notfallübung auf hoher See
Regelmässig gibt es Notfallübungen an Bord - bei einer nehmen auch wir teil. Wir wurden schon zuvor informiert, dass es einen Alarm geben wird und wir dann mit unseren Schwimmwesten in den Kabinen bereit stehen und warten sollen. Als der Alarm ertönt, werden wir abgeholt und müssen uns auf dem Aussendeck auf gelbe Punkte stellen. Das Notfallszenario: Es brennt in einem Materialraum. Aussen angekommen, zählt der erste Offizier die anwesenden Besatzungsmitglieder und Passagiere durch – Alle da! Das Feuer kann gelöscht werden…
Anschliessend folgen wir den gelben Linien bis zum Rettungsboot, welches schräg am Heck des Schiffes in der Luft hängt und Platz für 47 Leute hat. Im Falle eines Gebrauchs gibt es zwei Möglichkeiten, es ins Wasser zu lassen. Entweder man hat genügend Zeit, um es mit einem Kran abzuseilen…oder das Wasser steht einem bis zum Hals, man löst einen Haken und das Boot fällt 30 Meter ins Wasser hinunter. Dies wird übrigens nicht geübt, da das Boot danach hinüber ist und dabei auch schon Leute an Genickbruch gestorben sind. Wie man schon erahnen kann, wird diese Methode nur im absoluten Worst Case angewandt, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt vom Schiff zu kommen.