Offroad in Moab
Wir stehen im Visitor Center in Moab und halten verschiedene Bücher mit beschriebenen Offroadstrecken dieser Umgebung in der Hand. Moab ist DIE Destination für Outdoor Enthusiasten und Offroad Fanatiker. Ob zu Fuss, mit dem Bike, mit dem ATV oder dem Jeep – hier kommt jeder auf seine Kosten. Eigentlich suchen wir nur nach Infos zu einer ganz bestimmten Strecke, die uns bereits von viele Seiten empfohlen wurde und auf die wir uns schon in der Schweiz gefreut hatten – die White Rim Road.
Die White Rim Road ist eine knapp 100 Meilen lange Strecke im Island in the Sky District des Canyonlands Nationalparks und schlängelt sich auf dem ganzen Weg entlang der Abbruchkante des Canyons. Im Buch, das ich gerade zur Hand halte, wird die Strecke als moderate eingestuft, was soviel bedeutet, dass sie noch mit einem «normalen» Fahrzeug befahren werden kann, jedoch bereits einige technische Fähigkeiten erfordert. Jede Strecke, die schwieriger als die White Rim Road eingestuft ist, kann ohnehin nur mit einem ATV (= All Terrain Vehicle), also sowas, wie einem Quad, absolviert werden.
Wir sind uns auf einmal nicht mehr sicher, ob unsere Offroadkenntnisse gut genug sind für die White Rim Road. Leider werden unsere Zweifel auch nicht beseitigt, als wir am Abend vor dem geplanten Start Erfahrungsberichte von anderen Reisenden im Internet lesen. Da wird mit Worten, wie «Todesangst» und «Höllenritt» um sich geschlagen. Was haben wir uns da bloss eingebrockt? Die ganze Sache ablasen kommt aber auch nicht in Frage, haben wir doch schon vor Wochen eines der hochbegehrten Permits reserviert, das uns erlaubt, entlang der Strecke übernachten zu dürfen.
Am Morgen des Tag X wache ich mit einem mulmigen Gefühl auf. Es geht aber nicht nur mir so. Auch Mathias ist nervös, was sich bei ihm bereits früh morgens an einer ungewohnten Gereiztheit bemerkbar macht. Gegen 09.00 Uhr fahren wir zum Visitor Center im Nationalpark und holen uns letzte Infos zu den Strassenverhältnissen ein. Vom Ranger erhalten wir die Antwort, dass die ganze Strecke «passable» sei und wir sie problemlos fahren können, sofern wir erstens high clearance, zweitens 4x4 und drittens low range hätten. Haben wir alles.
Na dann, nichts wie los!
Mathias steckt den Schlüssel ins Zündschloss, dreht ihn um, der Motor springt an, stirbt aber zwei Sekunden später gleich wieder ab. Was ist denn nun los? Noch ein Versuch. Mathias dreht den Schlüssel erneut … nun leuchten aber weder die Lämpchen des Armaturenbretts noch springt der Motor an.
Wir schauen uns ungläubig an. Vor 10 Minuten war doch alles noch in Ordnung. Ausgerechnet jetzt, wenn wir in die Wildnis raus wollen, wo es im Falle eines Problems schwierig wird Hilfe zu bekommen, spukt der Motor. Ein Blick unter die Motorhaube verschafft dann aber Gewissheit. Eine Batterieklemme, die wohl schon längere Zeit locker war, hat sich vom Pol gelöst. Dies muss passiert sein, als wir über die Bodenschwelle vor dem Visitor Center gefahren sind. Nun liegt die Klemme neben dem Pol auf der Batterie. Bei der ersten Zündung gab es einen Lichtbogen, der den Starter kurz hat aufheulen lassen und einen Teil des Pols zum Schmelzen gebracht hat. Mathias erkennt das Problem schnell und kann die Klemme wieder am Pol befestigen, bei dem zum Glück noch genügend Material vorhanden ist.
Wir hoffen, dass dieser Zwischenfall kein schlechtes Omen war und fahren los.
Die Strecke beginnt spektakulär. Über die Shafer Switchbacks fahren wir hinunter in den Canyon. Die Sicht in die Tiefe und die Haarnadelkurven sind eindrücklich, wir fühlen uns aber die ganze Zeit sehr sicher. Die Strasse ist breit, der Untergrund trocken und da wir auch nicht an Höhenangst leiden, haben wir einen entspannten Einstieg in die White Rim Road und können diesen ersten Teil voll und ganz geniessen. Bereits da wissen wir, dass dies ein unvergessliches Erlebnis werden wird. Ein unvergesslich aufregendes Erlebnis!
Unten angekommen fahren wir volle sechs Stunden durch die rotleuchtende Canyonlandschaft. Immer entlang der einzigen Strasse weit und breit, die sich entlang der Abbruchkante der Schucht hin und her schlängelt. Wir sind ausgesetzt in einer kargen Landschaft aus Stein und Sand und kommen auf dem holprigen Weg nur langsam voran. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 15 Km/h.
Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir dann zu der ersten herausfordernden Stelle, die schon den ganzen Tag wie ein Damoklesschwert über uns hing. Wir stehen am Fusse des Murphy Hogbacks. Wir sind nur wenige Meter von unserem heutigen Ziel, dem Murphy Campground entfernt, der sich oben auf dem grossen furchteinflössenden Hügel vor uns befindet. Die Stelle, die es zum Abschluss des Tages zu meistern gilt, heisst nicht ohne Grund «Schweinerücken». Das wird eine haarige Angelegenheit.
So eine steile Strasse sind wir noch nie hochgefahren. Erschwerend kommt hinzu, dass der Weg nicht etwa eben ist. Nein – da befinden sich Absätze und Tritte, die gut und gerne einen halben Meter hoch sind und der Boden ist sehr sandig und daher rutschig.
Wäre diese Stelle heute zu einem früheren Zeitpunkt gekommen, wären wir mit Sicherheit umgedreht. Da nun aber die Sonne bald untergeht und wir bereits in der Hälfte der gesamten Strecke sind, bleibt uns keine Wahl.
Wir lassen nochmals mehr Luft ab, legen den Kriechgang ein und atmen ein letztes Mal tief durch. – Und dann heisst es: Augen zu und durch.
Also Mathias, der fährt, behält die Augen natürlich offen. Ich kann aber nicht hinsehen und klammere mich am Griff über meinem Fenster fest. Ich spüre, wie sich Baloo mit aller Kraft einen Meter nach dem anderen den Berg hochschiebt – und dies, wie es scheint, völlig problemlos! Bei den grössten Absätzen rüttelt es uns zwar gewaltig durch, ansonsten klettert Baloo hier aber wie eine Bergziege hoch und ich bin total fasziniert.
Belohnt für die ganze Anstrengung werden wir oben mit einem sensationellen Schlafplatz (Murphy C). Wir haben eine gewaltige Aussicht über die Landschaft und schlafen nach einem umwerfenden Sonnenuntergang erschöpft und stolz ein.
Am nächsten Morgen fahren wir bereits früh wieder los, denn wir haben nochmals ein langes Stück vor uns. Ohne Probleme fahren wir den Hogback als erstes wieder runter. Der Weg ist auf dieser Seite länger und daher weniger steil. Wir kommen gut vorwärts und merken bald, dass der Westteil der Strecke – entlang des Green Rivers – sogar noch abwechslungsreicher ist und uns besser gefällt als der Teil von gestern. Der Untergrund wird zunehmend sandiger, was bedeutet, dass wir etwas entspannter fahren können und nicht dauernd abbremsen und aufpassen müssen, weil wieder ein Absatz kommt.
Bereits kurz vor Schluss wartet dann noch die zweite Schlüsselstelle der White Rim Road auf uns – der sogenannte Hardscrabble Hill. Das ist ja mal wieder ein vielversprechender Name! Und tatsächlich, dieser Hügel hat es nochmals in sich und fordert erneut unsere ganze Aufmerksamkeit. Zwar sind die Bedingungen betreffend Steilheit, Untergrund und Absätze etwa gleich, wie bei Murphys Hogback. Der Unterschied ist aber, dass hier der Weg noch schmaler, noch ausgesetzter und noch windiger ist als beim Hogback. Während wir gestern nur geradeaus fahren konnten und lediglich Gas geben mussten, müssen wir hier die Kurven im Griff haben, wenn wir nicht in den Tod stürzen wollen. Besonders fies ist, dass sich zum Teil riesige Absätze (0,5m+) genau in einer Kurve befinden. Bei Murphy konnten wir praktisch zufällig über die Tritte fahren, wie es gerade passte – hier aber, muss die Fahrtlinie genau stimmen. Wir haben nur einen Versuch. Anhalten liegt nicht drin, umkehren ist unmöglich!
Diesmal steige ich aus und sehe mir die heiklen Stellen genau an, damit ich Mathias per Funk lotsen kann. Wir nehmen nochmals all unseren Mut zusammen, starten aber mit dem gewonnenen Selbstvertrauen von gestern zuversichtlich in den Berg. Die Devise ist die gleiche wie gestern: Gemütlich einen Meter nach dem anderen abspulen und die Ruhe bewahren.
Mathias kommt mit Baloo reibungslos voran … bis zu dieser einen Kurve mit dem grossen Absatz. Da hat Baloo auf Anhieb zu wenig Schub und das Vorderrad kommt nicht über den Stein rüber. Er kommt leicht ins Rutschen und ich sehe schon das Schlimmste vor meinem inneren Auge. Sofort gibt Mathias mehr Gas, die Räder drehen kurz durch, holpern dann aber quietschend über den Absatz. Ich sehe von aussen, wie es ihm die Bücher von der Headerkonsole um den Kopf schlägt und muss beinahe ein bisschen Schmunzeln. Der Rest ist dann nur noch Formsache.
Die letzten Kilometer entlang des Green Rivers geniessen wir dann nochmals in vollen Zügen, fahren über die Mineral Bottom Road zurück und trinken zum Abschluss nach langem wieder einmal ein Bier in Moab. Das haben wir uns mehr als verdient!
Die White Rim Road zu fahren war definitiv die grösste Herausforderung, vor der wir bislang auf unserer Reise standen. Es war aber auch die schönste und eindrucksvollste Strecke, die wir je gefahren sind. Und eine der schönsten Erfahrungen in unserem Leben. Wir waren extrem stolz auf uns selbst, dass wir die Challenge gewagt haben und wir in den stressigen und angespannten Situationen aufeinander zählen und schliesslich die Situation zusammen meistern konnten. Obwohl solche Tage und Momente auf unserer Reise dünn gesät sind, sind genau diese die Lebensader dafür und der Grund, dass unsere Motivation fürs stete Weiterreisen am Leben erhalten wird.WAS MAN ÜBER DIE WHITE RIM ROAD WISSEN SOLLTE:
- 4x4, low range und high clearance sind zwingend erforderlich
- Die gesamte Strecke hat lediglich zwei Schlüsselstellen, die herausfordernd zu befahren sind (Murphy’s Hogback & Hardscrabble Hill). Der Rest der Strecke ist verhältnismässig einfach.
- Man sollte für die gesamte Strecke mindestens 10 Stunden Fahrzeit einrechnen.
- Wir sind die Strecke in 2 Tagen gefahren, wobei wir genügend Zeit für Verpflegungs- und Fotostopps auf der Strecke hatten. Wer allerdings die Gegend auch abseits der Strecke besser erkunden möchte, der sollte mindestens 2 Nächte und 3 Tage einplanen.
- Wir hatten den Eindruck, dass es keine grosse Rolle spielt, in welche Richtung man die Strecke fährt. Wir sind im Uhrzeigersinn gefahren (beginnend bei den Shafer Switchbacks) und können diese Richtung höchstens aus dem Grund empfehlen, da uns der Westteil entlang des Green Rivers besser gefiel als der Ostteil und man sich so der "schöne" Part bis zum Schluss aufsparen kann.
- Bei Regenfällen kann die Strecke unpassierbar werden, da sich der Boden in eine rutschige Masse verwandelt (Infos über die Strassenverhältnisse können im Visitor Center eingeholt werden)
- Um die Strecke befahren zu dürfen, benötigt man in jedem Fall ein Day Permit, welches kostenlos ist und im Visitor Center gelöst werden kann (dies benötigt man auch, wenn man nur einen Teil der Strecke, wie z.B. die Shafer Switchbacks befahren will)
- Will man entlang der Strecke übernachten, braucht man zusätzlich zum Day Permit auch ein Backcountry Permit, welches einmalig 30 USD kostet (auch, wenn man mehrere Nächte reserviert). Diese sind jedoch sehr begehrt und aufgrund der beschränkten Anzahl an Campingplätzen oftmals schon Monate im Voraus ausgebucht. Auf dieser Seite können die Permits reserviert werden.
- Wir haben auf dem Campingplatz «Murphy C» übernachtet und waren mit der Wahl sehr zufrieden. Einerseits empfanden wir den Platz als einer der Schönsten, zum anderen befindet er sich ziemlich genau in der Hälfte der gesamten Strecke.
- Übernachten ausserhalb der offiziellen Campingplätze ist verboten.
- Tiere sind auf der Strecke keine erlaubt.
GEMINI BRIDGES:
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