Test trip
PUNKTLANDUNG
Freitag Morgen, strahlender Sonnenschein, die Vorfreude auf die kommenden 3 Wochen Ferien könnte grösser nicht sein.
11.00: Ich sitze im Büro und erledige mit Hochgeschwindigkeit meine letzten Arbeiten bevor ich mich pünktlich zu Mittag in die Ferien verabschiede. Erst vor einer halben Stunde habe ich den lang ersehnten und erlösenden Anruf von Mathias erhalten, dass Baloo nun endlich die MFK bestanden hat (Zuvor haben wir bereits 3 Mal vergebens versucht, das Fahrzeug geprüft zu bekommen. Der letzte Versuch liegt erst einen Tag zurück, der Herr Experte konnte an der Hinterachse erneut ein Tröpfchen Öl ausmachen, und so hatten wir heute eine letzte Chance bei der Nachprüfung). Eine Punktlandung, sozusagen.
12.15: Kurzer Zwischenstopp in der Tankstelle, schnell eine Autobahn-Vignette für Baloo kaufen, bevor wir um
12.30: zu Hause ankommen und ohne gross Zeit zu verlieren alles Mögliche, was wir so an Campingmaterial im Haus finden und in den nächsten 3 Wochen nützlich sein könnte, ins Auto räumen. Oder sollte ich sagen kreuz und quer reinschmeissen?! Keine Viertelstunde später stehen auch schon Pascal und Marina mit dem Wohnmobil auf der Matte, abfahrbereit. Diese verzögert sich jedoch noch um den Einbau der Mittelkonsole und das Einpassen der Matratze in unserem Heim auf Rädern. Pascal nützt die Zeit, um erste Filmaufnahmen von uns und Drohnenaufnahmen von den Fahrzeugen aus der Vogelperspektive zu machen (ich wusste gar nicht, dass unsere Nachbarn einen Pool im Garten haben…).
15.30: Nach weiteren Stopps im Rudi Rüssel (Diesel) und Denner (erster Proviant für unterwegs) sind wir endlich auf Achse und fahren auf der A1 Richtung Norden….bis wir in Kriegstetten pünktlich auf den Feierabendverkehr stossen und die verbleibende Strecke in der Schweiz bis Basel im Schritttempo zurücklegen.
IMMER NORDWÄRTS
Nach den ersten Anfangsschwierigkeiten sind wir nun also unterwegs und rollen mit einem breiten Grinsen im Gesicht immer nordwärts dem Sonnenuntergang entgegen.
Die erste Nacht verbringen wir auf einem nicht so prickelnden Rastplatz in der Nähe von Köln inmitten ruhender LKW’s. Während der ganzen Nacht kommen und gehen die Schwergewichte und jedesmal, wenn einer neben uns vorbeirollt, schrecke ich im Schlaf auf, ja stehe schon fast im Bett von dem ohrenbetäubenden Lärm. Akute Tinnitusgefahr! Mathias beeindruckt dies aber herzlich wenig und ich bin alleine mit meiner Schlaflosigkeit.
Am nächsten Morgen ist aber alles schnell vergessen und wir frönen wieder unserem Roadtripper-Dasein (Ist keine Krankheit). Auf der Weiterreise fahren wir nahe der holländischen Grenze vorbei. „Weimer hurti zude Oranje?“, frägt Pascal per Funkspruch. Kaum haben alle begeistert zugestimmt, befinden wir uns schon am Zoll und wenige Minuten später im Zentrum Venlos. Diese Stadt erfüllt binnen kurzer Zeit sämtliche niederländischen Klischees. Statt Autos sehen wir auf den Strassen nur noch Fahrräder, auf dem Markt gibt es Tulpen, Klompen und Edamer zu kaufen und zwischendurch fangen unsere Nasen den typisch herben Geruch von Marihuana ein. Wir schlendern ein bisschen durch die Gassen, geniessen die Sonne, essen Pommes mit Mayo und trinken ein Heineken dazu, bevor wir wieder in Richtung unseres eigentlichen Ziels, Norwegen, weiterreisen.
Noch am selben Tag passieren wir die Grenze zu Dänemark und finden dank iOverlander einen Schlafplatz direkt am Meer.
Über die grosse Beltbrücke (34 Euro) und die Oresund-Brücke (54 Euro) gelangen wir nach Malmö, wo wir im „First Camp“ einchecken. Das leichte Nieseln von gestern ist Dauerregen gewichen, weshalb wir uns in die Stadt unter Sonnenschirme eines schmucken Kaffees retten und unsere Glieder bei einem heissen ebensolchen Getränk aufwärmen wollen. WOLLEN…gerne möchten…äusserst schätzen würden.
Stattdessen warten wir…und warten, schauen den frechen Spatzen beim Stibitzen von Kuchenresten zu, warten, machen Fotos von den Spatzen…und warten immer noch auf die Bedienung, bis mich ein Geistesblitz auf die glorreiche Idee bringt, unsere Kaffees drinnen einfach selber zu holen.
Sogleich finde ich mich im geschäftigen Eingangsbereich vor, der Tresen nur schwer erkennbar, da zugestellt von Schlange stehenden Gästen. Als hätten wir nicht schon genug gewartet. Langsam aber sicher könnte ich eine Aufheiterung, sagen wir mal z.b. in Form von Koffein, gebrauchen.
Moment, was passiert da? Da kommen dauernd irgendwelche Leute aus dem Hinterhalt, drängeln sich vor und werden dann auch noch bedient. „Hallo, geht’s noch?!“, rege ich mich innerlich auf. Ich warte weiter ungeduldig in dem viel zu engen Raum, bis ich endlich begreife. Da werden Zettel mit einer Nummer gezogen, wie bei uns bei der Post, die dann aufgerufen werden, sobald man dran ist.
Aha.
Ich begebe mich also schnurstracks zu dem Automaten und lasse mir eine Nummer geben. Ich ziehe die 12.
Voller Überzeugung mein Ziel nun bald erreicht zu haben, stehe ich prompt vor der nächsten Herausforderung. Woher weiss ich nun, wann ich dran bin? Die Ladys hinter dem Tresen rufen jeweils die Nummer auf, soviel habe ich mitgekriegt. Aber in Schwedisch (also ich gehe davon aus, dass sie die Nummer rufen, verstehe sie ja nicht). Keine digitale Anzeige, keine englische Übersetzung, nichts. „Mist, ich habe mir nicht gemerkt, wer vor mir den Zettel gezogen hat“, denke ich und warte ab, bis sich die Reihen etwas gelichtet haben.
Langsam werde ich aber richtig ungeduldig. Ich habe Durst und brauche Kaffee!!
Naja, „nützt ja nichts“, rede ich mir ein, muss ich mich halt einen Millimeter hinter die Dame stellen, die gerade bedient wird und über ihre Schulter die Nummer auf ihrem Zettel erspähen.
Sie hat die 15. Na toll!
Ich stehe kurz vor dem Nervenzusammenbruch, als Mathias mir zu Hilfe kommt (dachte wohl schon ich sei mit den 200 Kronen durchgebrannt) Gemeinsam schaffen wir dann das scheinbar Unmögliche – wir verlassen das Lokal mit vier Cappuccinos.
WÄLDER, SEEN UND WASSERFÄLLE
Da wir in Schweden nicht viel Zeit verlieren und so schnell wie möglich in Norwegen sein wollen, ist auch der vierte Tag noch hauptsächlich vom Fahren geprägt. Schliesslich nehmen wir von Moss nach Horten eine Fähre und betreten am Montag Nachmittag erstmals norwegischen Boden.
Norwegen begrüsst uns mit angenehmen 18-20°C und Sonnenschein. Noch in Horten finden wir einen Erstklasse-Stellplatz direkt am Meer mit Million-Dollar-View, wo wir die erste Nacht im neuen Land verbringen. Nachdem in den letzten Tagen das Outdoor-Essen jeweils ins Wasser gefallen ist, geniessen wir nun die besten Spaghetti Bolognese ever unter freiem Himmel. Dabei amüsieren wir uns ab den vielen Joggern, die uns durch den Vorgarten laufen, analysieren deren Laufstile und freuen uns des Lebens bei einem guten Tropfen Malbec.
Über Drammen, Flå und Geilo führt uns der Weg vorbei an unzähligen kleineren und grösseren Seen und durch üppige Wälder. Immer wenn wir neben einem Strassenschild mit Elchsymbol vorbeifahren, halten wir besonders gut Ausschau nach den grossen Hirschen. Bis zum Schluss werden wir aber keinen von ihnen zu Gesicht bekommen. Dafür werden die vielen Schafe neben, über und auf der Strasse mit der Zeit schon fast zur Plage. Bei diesen Exemplaren dauerte es nach der Ankündigung per Verkehrstafel keine 5 Minuten, lagen die Viecher im Weg.
Besonderes Highlight auf diesem Streckenabschnitt ist der Vøringsfossen (Foss = norweg. Wasserfall). Eine kurze Wanderung über Stock und Stein (1,7km / 300 Höhenmeter) führt uns an den Fuss dessen. 183 Meter stürzt das Wasser hier in die Tiefe.
BERGEN – DAS TOR ZU DEN FJORDEN
Es ist Freitagabend, wir rollen nach einem fahrintensiven Tag mit den letzten Sonnenstrahlen in Bergen ein. Wer sich jetzt verdutzt fragt, wie das sein kann bei der regenreichsten Stadt Europas – Ja, wir haben Glück und einen der wenigen Tage erwischt, an dem die Sonne scheint.
Mit rund 280‘000 Einwohnern ist Bergen die zweitgrösste Stadt Norwegens und beherbergt dank seiner geografischen Lage einer der beliebtesten Häfen des Landes. Von hier aus starten täglich Schiffe der Hurtigruten.
Unsere beschränkte Zeit in dieser Stadt verbringen wir hauptsächlich mit der Besichtigung des Hanseviertels „Bryggen“. Die aus dem Mittelalter stammenden farbigen Holzhäuser geben dem Viertel sein charakteristisches Bild. Obwohl im Jahr 1702 bei einem Grossbrand fast alle Gebäude zerstört wurden, erfolgte ein Wideraufbau im ursprünglichen Stil. Heute gehört Bryggen zum UNESCO Weltkulturerbe. Die vielen schmalen Gassen, Hinterhöfe mit einladenden Kaffees und Künstlerwerkstätten gefallen uns sehr.
Gerade als wir von Bryggen aus den Fischmarkt, unser nächstes Ziel ansteuern, werden wir doch noch Zeugen eines kurzen Regenschauers. Dieser ist aber nach kurzer Zeit passé, so dass wir den Markt bei Trockenheit durchstreifen können. Aus unserer Sicht ist es ein absolutes Muss hierher zu kommen, wenn man in Bergen ist. Der Markt ist riesig und es wird einfach alles angeboten, was das Seafoodherz begehrt. Neben den üblichen Verdächtigen, wie Fische, Krabben und Muscheln, gibt es hier über frische Tintenfische bis hin zu Walfleisch alles zu kaufen. Ja, richtig gelesen…Walfleisch.
Beim Anblick der dunklen, teils fast schwarz gefärbten Stücken im Tresen wird unsere Begeisterung plötzlich von seltsamen Gefühlen abgelöst – Traurigkeit, Empörung, Verwunderung sind dabei. Uns war bislang nicht bewusst, dass Norwegen vor Island und Japan weltweit die grösste Walfangnation ist und das Fleisch anscheinend in rauen Mengen verkauft. Wenn wir an Walfang denken, haben wir direkt Bilder von blutigen, auf brutalste Weise abgeschlachteten Walkörpern vor Augen. Die stetige Anpreisung des Fleischs und Angebot von Probierhäppchen stossen uns bitter auf. Walfang gehört jedoch seit je her zur Kultur Norwegens und ist eine stark verankerte Tradition in diesem Land. Die Fangquote soll stark reguliert sein, um den Bestand der Wale nicht zu gefährden und die Wale sollen auf eine schonende Art und Weise gefangen werden – so schonend, wie der Fang halt sein kann :-/
Bleibt zu hoffen, dass das stimmt und nur so viele Tiere gefangen werden, wie die Nachfrage verlangt. Wir probieren jedenfalls kein Stück davon.
WANDERN IM LAND DER TROLLE - TROLLTUNGA UND KJERAGBOLTEN
Nach dem Besuch Bergens steht uns der Sinn nach Natur und Bewegung. Zwei Wanderungen stehen auf dem Programm: Trolltunga und Kjeragbolten
Beide Wanderungen sind bekannt dafür, dass ihr Ziel eine exponierte Stelle ist, von wo aus sich spektakuläre und halsbrecherische Fotos schiessen lassen, dazu aber später mehr. Wir wollen nicht in erster Linie wegen des Nervenkitzels dahin, sondern weil man auch eine atemberaubende Aussicht geniessen kann und die Wanderungen an und für sich für uns gut machbar, aber gleichwohl herausfordernd und abwechslungsreich sind.
Als erstes nehmen wir uns die Wanderung zur Trolltunga (deutsch: Trollzunge) vor. Der Name kommt daher, dass man am Ziel zu einem Felsvorsprung gelangt, der spektakulär über den Abgrund hervorragt und von der Seite betrachtet ein bisschen, wie eben eine Zunge aussieht. Die Wanderung an sich ist technisch nicht schwierig, aber sie ist insgesamt 26km lang, wobei man eine Höhendifferenz von ca. 1500 Metern zurücklegen muss. Zudem kann es auch im Sommer in den höheren Lagen recht kalt werden und das Überqueren von Schneefeldern ist praktisch gewiss.
Am Ausgangspunkt, dem Parkplatz in Skjeggedal wird empfohlen, vor 10 Uhr morgens loszuwandern, da man durchschnittlich 10 – 12 Stunden braucht, um wieder heil unten anzukommen. Nun stehen wir da um 13.00 Uhr und packen unsere Rucksäcke. Geplant ist, dass wir oben übernachten, um am nächsten Morgen den Sonnenaufgang anschauen zu können. Da merken ich und Mathias, dass wir unseren grossen Hikingrucksack zu Hause vergessen haben (ging wohl ein bisschen zu schnell mit dem Packen damals). Da Pascal und Marina auch nur einen grossen Rucksack dabei haben und darin unmöglich 2 Zelte, 4 Schlafsäcke und -matten plus der Gaskocher und das Nachtessen für 4 Personen Platz haben, entscheiden wir, dass 2 von uns oben bleiben und die anderen 2 noch am selben Tag den Abstieg machen werden.
Es ist fast 13.30 Uhr, als wir loswandern. Der Aufstieg ist abwechslungsreich und schön. Die ersten Kilometer legt man auf einer Serpentine zurück. Anschliessend kommt ein Abschnitt mit steilen Felstritten, der zwar anstrengend ist, man aber danach schon die meisten Höhenmeter absolviert hat. Weiter geht es dann über die Hochebene, mal rauf, mal runter bis zur Trolltunga. Auch wenn der Weg grösstenteils nass und glitschig ist, gefällt uns die steinige moosige Landschaft sehr gut. Man überquert immer wieder Bäche und Schneefelder und wird zwischendurch mit einer wunderschönen Aussicht auf den Fjord belohnt.
Den Aufstieg schaffen wir in knapp vier Stunden und er ist es absolut Wert auf sich zu nehmen.
Oben treffen wir auf eine wahrhaftig sensationelle Aussicht. Die Trolltunga ragt schätzungsweise 10-15 Meter vom Felsen waagrecht in die Luft und ist ca. 2 Meter breit. Man kann also sicher darauf stehen und Fotos machen. Dank ihrer leichten Neigung nach oben ist es sogar möglich an der Felskante zu sitzen ohne dass einem gleich schwindlig wird, da man die 700 Meter zum See hinunter gar nicht sieht. Wir fühlten uns jedenfalls sicher. Trotzdem ist hohe Achtsamkeit geboten bei den grossen Menschenmengen, die teilweise vor Ort sind (wir haben von Leuten gehört, die 45min für ihr Foto anstehen mussten). Da wir erst abends um ca. 18.00 Uhr oben ankommen, sind nicht mehr viele Leute vor Ort, was sehr angenehm ist.
Mittlerweile ist klar, dass Pascal und Marina oben übernachten und ich und Mathias noch heute den ganzen Weg zurückgehen werden. Vorher stärken wir uns alle zusammen aber noch mit einer ordentlichen Portion Vollkornpasta.
Während unser Gaskocher auf Hochtouren läuft, fällt mein Blick auf einen jungen Vater, der eifrig eine Dose Mais in sich reinschaufelt. Neben ihm steht ein grosser Rucksack mit integriertem Kindersitz. „Hat der etwa seinen 3-jährigen Sohn (so alt kann der kleine Junge bei ihm maximal sein) den ganzen Weg hochgetragen“, frage ich laut. „Ich hoffe er hat ihn getragen und er ist nicht selber gelaufen“, scherzt Pascal. „Da bringt aber eine Dose Mais gar nichts…hoffe er hat noch was anderes zu essen dabei“. Wir lachen alle. Die Familie macht sich auf den Rückweg.
Ohne uns weiter Gedanken zu machen, starten Mathias und ich den Abstieg um 19.00 Uhr während Marina sich schon in den warmen Schlafsack zurückgezogen hat. Es geht ein eisiger ungemütlicher Wind. In dem Moment bin ich gar nicht mehr so traurig, dass wir die Nacht nicht oben im Zelt verbringen können. Als Proviant haben wir noch einen vollen Camelbak und zwei Erdnuss-Powerbars dabei.
Der Rückweg geht prima. Wir kommen zügig voran und es hat fast keine Leute mehr auf der Strecke. Dank der langen Tage um diese Jahreszeit haben wir auch immer noch bestes Licht. Nur die Beine sind etwas müde.
Etwa vier Kilometer vor dem Ziel, im Bereich der hohen Felsabsätze, sehen wir auf einmal einen kreidebleichen Mann, der kurz vor dem Umfallen ist. Etwas oberhalb steht eine junge Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand. Es ist die Familie, die uns schon oben aufgefallen ist. Die Frau hilft dem Jungen über die hohen glatten Felstritte, kaum fähig selber gerade aus zu gehen. Obwohl die Strecke sehr entschärft ist, kann ein kleines Kind hier schon einige Meter nach unten fallen. Dem Mann tropft der Schweiss in Bächen vom Gesicht. Mit gebrochenem Englisch bringt er ein „Do you have food?...Any food?“ heraus, als er uns sieht. Leicht schockiert geben wir ihm unsere Powerriegel, die noch übrig sind und fragen ob wir noch sonst irgendwie helfen können. Sie scheinen uns aber kaum zu verstehen und wir überlassen die drei ihrem Schicksal. Den schwierigsten Teil haben sie hinter sich, die letzten Kilometer werden sie nach der kleinen Stärkung auch noch schaffen, denken wir uns.
Unten angekommen, gönnen wir uns zur Belohnung einen Hot Dog und fallen dann müde aber befriedigt ins Bett.
Für den Abstieg haben wir übrigens nur noch um die 3 Stunden benötigt und haben die ganze Wanderung in rund 7 Stunden reiner Gehzeit geschafft und das obwohl wir alles andere als toptrainierte Berggänger sind und nur selten Sport machen. Viele Leute werden aber dennoch, die angegebenen, aus unserer Sicht völlig übertriebenen, 10-12 Stunden brauchen. Wir haben unterwegs viele getroffen, die an ihre körperlichen Grenzen gestossen sind, wie auch die Familie mit dem kleinen Jungen. Nach einem Gespräch mit einem Kioskbesitzer im Tal haben wir zudem vernommen, dass ständig Leute geborgen werden müssen wegen Überanstrengung oder zu schlechter Ausrüstung. Für uns unverständlich.
Wer sich gefragt hat, ob bei der Trolltunga schon einmal jemand abgestürzt ist: Hier die Antwort.
Unsere zweite Wanderung in Norwegen führt uns zum Kjeragbolten, einem runden Stein, der zwischen zwei Felsplatten eingeklemmt ist. Die Wanderung ist im Vergleich zur Trolltunga viel kürzer (10km / 480 Hm), dafür aber technisch anspruchsvoller. Man wandert im Prinzip über 3 Hügel, sprich es geht nur rauf und runter. Zudem führt der Weg über glatte Felsplatten, die aufgrund der regelmässigen Regenschauer sehr rutschig sind. An vielen Stellen sind zur Sicherheit Ketten montiert, an denen man sich hochziehen oder abseilen kann.
Auf dieser Wanderung ist deutlich weniger los als bei der Trolltunga und somit haben wir oben am Ziel auch hier keine langen Wartezeiten für ein Foto auf dem Stein. Ich persönlich erschrecke ziemlich, als ich sehe, wie exponiert die Stelle auf dem Stein tatsächlich ist. Um dahin zu kommen, muss man sich wenige Meter entlang einer Steilwand vorarbeiten und dann einen kleinen Sprung auf die etwa 1 Quadratmeter grosse Fläche auf dem Stein wagen. Hinter einem geht es geradewegs 1000 Meter in die Tiefe. Ich überlege mir gut, ob ich dieses Manöver wagen soll. Obwohl ich sonst in keiner Weise an Höhenangst leide, merke ich hier, wie ich weiche Knie kriege.
Nach guter Überlegung traue ich mich und stehe auf dem Stein. Bloss nicht nach unten schauen jetzt!! Phu, geschafft. Nach ein paar Fotos stehe ich wieder auf sicherem Boden.
Wirklich erstaunlich, wie manche Leute da waghalsig auf den Stein springen und zum Teil dies auch ihre Kinder machen lassen! Man braucht wirklich einen sicheren Tritt, um da nicht aus einer Unachtsamkeit oder Hektik heraus ins Unglück zu stürzen. Nun ja, muss jeder selber wissen, wie er mit seinem Leben umgeht.
Uns wird oben auf einmal kalt, so dass wir kurzum den Rückweg antreten. Als Krönung verregnet es uns aber unterwegs so richtig bis auf die Knochen. Wir wollen nur noch Eines – Schnell zurück und im Restaurant beim Parkplatz eine heisse Schokolade trinken.
Von da aus treten wir schon fast wieder den Heimweg an. Über Kristiansand geht’s Norwegens Südküste entlang bis Langesund, von wo aus uns die „Fjordline“ nach Hirtshals bringt. 2 Kaffees, eine Jasspartie und 4,5 Stunden später betreten wir dänischen Boden. Chefkoch Mathias zaubert an diesem Abend bei einem traumhaften Sonnenuntergang das Gericht des Hauses – Älplermagronen – auf den Tisch.
DÄNEMARK UND KOPENHAGEN
Da sitzen wir also. In Hirtshals direkt am Meer unsere Älplermagronen essend, schauen den grossen Kreuzfahrtschiffen zu, wie sie den Hafen verlassen und geniessen den wunderschönen Sonnenuntergang.
Der Stellplatz hier ist perfekt. Wir sind ganz für uns alleine, quatschen, lachen und trinken Wein dazu. Die Abende sind hier weiter südlich schon wieder spürbar kürzer. Es ist gerade am Eindunkeln, als die Scheinwerfer eines weissen tiefgelegten VW Golf unser trautes Beisammensein durchbrechen. Der Wagen parkt direkt hinter unseren Fahrzeugen. Aus dem Innern dröhnt der dumpfe Bass von lauter Musik. Geblendet von dem grellen Scheinwerferlicht schauen wir uns gegenseitig leicht irritiert an.
Nach einigen Minuten steigt ein junger hagerer Mann aus, was aber unter den Baggy Jeans und dem Kapuzenpulli nur schwer zu erkennen ist. Die BOSE-Kopfhörer auf den Ohren, setzt er sich auf einen angeschwemmten Holzstamm am Meer. Und tut nichts.
Nach einer halben Stunde fragen wir uns langsam, der Typ sitzt immer noch an der genau gleichen Stelle und ist am Nichtstun, ob der wohl auch hier übernachten will und rätseln ein wenig, was mit ihm los sein könnte.
Marina meint: „Ich wette, der ist von seiner Freundin verlassen worden und braucht jetzt Zeit für sich, um darüber hinweg zu kommen“. „Oder“, entgegne ich scherzhaft, „er kommt nicht drüber hinweg und überlegt sich jetzt wie er sich umbringen will“. Kurzes Gelächter. „Ich setzte einen Zehner, dass der Rapper ist und sich vom Ambiente hier inspirieren lässt“, kommt von Mathias. „Ach was“, erwidert Pascal zuletzt, „der nimmt doch irgendwelche Drogen…oder er findet einfach die Landschaft schön“. Wir amüsieren uns und erkiesen gerade aus, wer ihn fragen gehen soll, um das Rätsel zu lüften, als er ins Auto steigt und wegfährt.
Zügig fahren wir weiter via Aarhus (Speedfähre nach Odden) und Roskilde (empfehlenswertes Wikingermuseum, wer sich dafür interessiert) nach Kopenhagen, wo wir unseren letzten gemeinsamen Tag verbringen. Bereits einige Tage zuvor haben wir das City Camp in der dänischen Hauptstadt reserviert, welches nur wenige Kilometer vom Zentrum entfernt liegt. Als wir beim Haupteingang des Camps (also eigentlich ist es einfach ein grosser Parkplatz mit 4 Toi Toi’s) vorfahren, begrüsst uns der Wart mit den Worten „Das ist mal noch ein richtiges Wohnmobil“. Sehr sympathisch.
Die Stadt erkunden wir mit Fahrrädern, die es hier überall zu mieten gibt. Nach einer ersten Stärkung im Hard Rock Café bei Nachos und Margeritas geht’s weiter zur kleinen Meerjungfrau, dann zum Nyhavn, zu Fuss durch die Einkaufsstrasse Østergade, weiter ins Stadtviertel Christianshavn, wo es ein weiteres Apéro gibt, bevor wir in der riesigen Streetfoodhalle auf Paper Island zu Abend essen. Die Halle ist der Wahnsinn. An über 35 Imbissbuden werden kulinarische Highlights aus der ganzen Welt angeboten. Für uns gibt’s zweimal marrokanisch und zweimal türkisch.
Den Abend lassen wir mit einem Besuch im Tivoli Vergnügungspark ausklingen. Ein sündhaft teurer Spass. Allein der Eintritt hat uns je 120 DKK (ca. 18 CHF) gekostet. Einmal drin im Park, darf man aber noch nichts tun, ausser die exklusive dänische Luft einzuatmen, bevor man nicht ein weiteres Mal den Geldbeutel zückt. Jede Fahrt, sei es mit der Achterbahn oder einem langweiligen Ghost Ride, kostet 25-50DKK (also 5-10 CHF) extra. Wir entscheiden uns für eine Fahrt mit der Achterbahn inkl. Looping und Schraube. Da kriegen wir immerhin ein bisschen was fürs Geld, denken wir. Das Rollercoaster-Greenhorn Mathias fand dann aber das vermeintliche Vergnügen nicht ganz zu lustig, wie die restlichen 3 von uns. Vergass er doch vor dem Start seine Brille abzulegen und war die geschlagene nächste Minute (die ihm wie eine Ewigkeit vorkommen musste) damit beschäftigt, sich so fest wie möglich an die Hilfeglubscher zu klammern.
Das Souvenir-Foto war dafür umso amüsanter.
Für Pascal und Marina ist diese Reise in Kopenhagen zu Ende. Sie übergeben das Wohnmobil Marinas Eltern, welche die nächsten Wochen ebenfalls im Norden unterwegs sein werden und fliegen nach Hause. Nachdem wir uns von allen verabschiedet haben, geht es für uns aber noch etwas weiter.
Weiter südlich verlassen wir Dänemark mit der Fähre von Rødbyhavn nach Fehmarn. Auf unserem Heimweg legen wir den ersten Zwischenstopp in Wacken ein. Da findet zur Zeit eines der grössten Heavy Metal-Festivals der Welt statt. Rund 80‘000 Besucher finden jedes Jahr den Weg in das 2000-Seelendorf im norddeutschen Schleswig-Holstein. Wir haben keine Tickets und fahren auch nicht wegen der Musik dahin, sondern weil drei Freunde von uns am Festival weilen und bekanntlich schon der reine Spaziergang durch das Dorf und das Campinggelände ein Spektakel sein soll.
Durch ländliches Gebiet nähern wir uns von Kiel her dem Ort des Geschehens. Links von der Strasse Felder so weit das Auge reicht, rechts grasende Kühe, rundum heile Welt. Und plötzlich…erste schwarz gekleidete Menschen lassen es vermuten, bäääm…stehen wir mitten in einer anderen Welt.
Auf einem Tagesparkplatz am Dorfeingang stellen wir unser Auto ab und nehmen die 3km lange Strecke in Angriff, die uns zum Sektor Q führt, wo sich unsere Kumpel aufhalten. Um es vorweg zu nehmen, der Spaziergang durch das Dorf wird wahrhaftig zu einem kleinen Abenteuer. Ich sehe Bilder, die ich vorher noch nie gesehen habe.
Die kleine Kommune ist proppenvoll, überall herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit. Eine Imbissbude reiht sich an die andere. Black Burger hier, Black Ice Cream dort. Davor wird eifrig Bier um die Wette gestemmt. In den Vorgärten treffen sich Nachbarn zum Grillplausch, Kinder freuen sich ab Tombola und Zuckerwatte, vor dem Altersheim schauen Rentner gespannt dem emsigen Treiben zu. Ich kann nur Bruchteile wahrnehmen, von all dem, was hier abgeht. Vor mir schüttet einer im Schottenrock Bier über seine Freundin, neben mir kotzt ein anderer ins Gras. Aus dem ganzen Lärm höre ich die Melodie von Volbeat’s „Guitar Gangster“ heraus, während ich eine junge Frau kopfüber im Schlamm liegen sehe.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und geistiger Erschöpfung finden wir tatsächlich das Zelt unserer Freunde. Die Zeit reicht für einen gemeinsamen Imbiss und ein paar Bier, bevor wir uns wieder verabschieden und das Festival am Samstagabend, dem letzten Veranstaltungstag, hinter uns lassen. Etwas entfernt, mit einigen Kilometern Sicherheitsabstand :-), suchen und finden wir einen gemütlichen Übernachtungsplatz im Wald.
Unser genialer Plan für den nächsten Tag lautet: Auf der A1 fahren wir via Hamburg nach Lienen-Höste, wo wir Baloo’s Zeltstoff des Aufstelldachs beim Hersteller „Innovation Campers“ erneuern lassen werden. Einen Termin haben wir bereits vereinbart, bleibt also eine gemütliche Fahrt bis dahin. Denken wir zumindest. In Tat und Wahrheit spielt sich das Ganze etwas anders ab. Wir haben nämlich unsere Rechnung nicht mit all den Wackenern gemacht, die natürlich an diesem Tag nach Hause wollen. Da Wacken ja bekanntlich ziemlich im Norden Deutschlands liegt und der Anteil der Festivalbesucher aus Skandinavien vernachlässigbar klein ist, fahren logischerweise die allermeisten Richtung Süden nach Hause.
Das bedeutet für uns erstmal vier Stunden Stau in und um Hamburg. Die Herkunft eines praktisch jeden Autos, das auf die Autobahn auffährt, ist aufgrund der Lettern W.O.A. auf der Heckscheibe eindeutig identifizierbar. Wenn nicht dadurch, dann spätestens durch die Insassen.
Zu dumm.
Am späteren Abend erreichen wir dann unser Ziel doch noch und verbringen einen sonnigen nächsten Tag bei Innovation Campers.
Die letzten Tage sind wir hauptsächlich fahrend unterwegs mit weiteren Zwischenhalten in Köln, Strassbourg und Titisee bevor wir exakt nach 3 Wochen wieder zu Hause einrollen.
Auch wenn wir etwas Wetterpech hatten, haben wir 3 wunderbare Wochen verbracht und uns schon mal ein wenig auf die grosse Reise einstimmen können. Obwohl es bei Baloo noch einige kleine Verbesserungsmöglichkeit gibt, was den Innenausbau betrifft, fühlten wir uns schon sehr wohl und „zu Hause“ in ihm.
Fazit: Testreise geglückt!
Fazit: Testreise geglückt!