Im Tal des Todes
Nach all dem Geblinke, Geklingel und nervösen Treiben sehnen sich unsere Sinne wieder nach etwas mehr Ruhe. Diese finden wir im Death Valley. Hier ist der Name Programm. Ausser ein paar anderen Menschenseelen finden wir keine Anzeichen von Leben.
Wir nehmen uns Zeit und erkunden weite Teile des grössten Nationalparks in den Lower 48 der USA. Hottest – Driest – Lowest ist hier die Devise. Aufgrund geografischer Gegebenheiten wurde hier die heisseste Temperatur auf der Erde gemessen (56,7°C), ist das Death Valley mit durchschnittlich 27mm Niederschlag pro Jahr gleichzeitig eine der trockensten Gegenden auf unserem Planeten und zudem befindet sich in diesem Nationalpark der tiefste Punkt Nordamerikas (86m unter dem Meeresspiegel).
GREENWATER VALLEY – BADWATER ROAD
Auf der 190 fahren wir von Osten her in den Park und blicken beim Zabriskie Point das erste Mal in eine wiederum komplett veränderte Landschaft. Eine badland-artige Hügelkette in den verschiedensten Brauntönen erstreckt sich vor uns. Das Death Valley gefällt uns auf Anhieb und wird auch bis zum Schluss unserer USA-Reise einer unserer Lieblingsnationalparks bleiben.
Von Dantes View aus sehen wir ein erstes Mal auf das bekannte Badwater Basin und haben eine atemberaubende Aussicht über das ganze Tal. Wir fahren weiter durch das Greenwater Valley, das eher unspektakulär erscheint und kommen dann von Süden her zum eben erwähnten Basin. Obwohl die Temperaturen zu dieser Jahreszeit bisher sehr angenehm waren, bekommen wir hier am tiefsten Punkt nun doch zu spüren, wofür das Death Valley berühmt berüchtigt ist. Die Sonne brennt und das Thermometer steigt in kürzester Zeit empfindlich hoch an. Dennoch nehmen wir den Weg zum etwa 1km entfernten Salzsee unter die Füsse. Wir spazieren auf weissen sechseckigen knisternden Salzkristallen herum und sehen die Luft in der Ferne flimmern. Wir schiessen ein paar lustige Fotos vor der einzigartigen Kulisse und machen uns dann ziemlich erschöpft auf den Rückweg. Kurz vor dem Parkplatz schwitze ich noch meine letzten Wasserreserven heraus. Nun weiss ich auch, woher die Salzablagerungen wirklich kommen. Zum Glück ist es nun nur noch ein Katzensprung zum Auto, wo das rettende Wasser auf mich wartet.
Wie mir erging es auch schon den Namensgebern dieses Ortes … nur dass sie nicht mit einem Expeditionsfahrzeug inkl. 40 Litern Frischwasser unterwegs waren. Aus diesem Grund versuchten sie das Wasser, das sich hier manchmal auf dem salzigen Untergrund bildet zu trinken und mussten feststellen, dass es ungeniessbar war – Bad Water eben.
Über den Artists Drive – wir kommen uns vor, als würden wir durch ein 3D Gemälde fahren – kommen wir zum Visitor Center in Furnace Creek und suchen uns für die Nacht ein schönes Plätzchen entlang der Echo Canyon Road aus. Im Death Valley Nationalpark ist es nämlich erlaubt ausserhalb von offiziellen Campgrounds zu übernachten, solange man sich mindestens eine Meile von der Hauptstrasse entfernt einquartiert.
TITUS CANYON ROAD
Am nächsten Morgen fahren wir als erstes nach Beatty (NV), das ausserhalb des Nationalparks liegt, zum Tanken. Die Preise, die für Diesel innerhalb der Parkgrenzen verlangt werden (5,04 USD / Gallone) wollen selbst wir nicht bezahlen, obwohl wir sonst auch nicht «jedes Füfi umdräie». Um zurück ins Death Valley zu kommen, nehmen wir die Titus Canyon Road.
Wenn man genügend Bodenfreiheit hat, ist dies ist eine relativ einfach zu befahrende Offroadstrecke. Einmal mehr fahren wir durch eine unglaubliche Szenerie, wo sich Farben von goldgelb bis dunkelbraun und von hellrosa bis kupferrot abwechseln. Das Ende der Strecke bildet ein schmaler Weg, der durch zwei hohe Felswände links und rechts begrenzt ist. Eine Art riesiger Slot Canyon sozusagen, wo gerade mal so ein Auto durchpasst. Dieses letzte Stück ist wohl auch der Grund, warum die Strecke nur one-way zu befahren ist. Nach einem kurzen Abstecher zum Ubehebe Crater überlegen wir kurz, ob wir die von hier ausgehende Strasse zur Racetrack Playa nehmen sollen. Da uns zuvor aber eine Rangerin im Visitor Center dringlichst davor gewarnt hat, diesen Track mit nur einem Reservereifen zu befahren, entscheiden wir uns dagegen. Entlang der «Racetrack Road» gibt es laut der Rangerin extrem viel scharfes und spitzes Obsidiangestein, das von einem früheren Vulkanausbruch herstammt. Platte Reifen seien praktisch an der Tagesordnung. Unsere Entscheidung die Strasse nicht zu nehmen, werden wir jedoch noch bereuen. Dazu aber später mehr …
Diesen Tag lassen wir im Panamint Valley bei einem schönen Sonnenuntergang und einer Pizza aus dem Omnia Ofen ausklingen.
SALINE VALLEY – LIPPINCOTT PASS – HIDDEN VALLEY – HUNTER MOUNTAIN
Unser dritter Tag im Death Valley Nationalpark startet früh, denn wir haben einiges vor. Da wir uns am Vortag gegen die Racetrack Road entschieden haben, den «Racetrack», zu dem diese Strasse auf schnellstem Weg führen würde, aber dennoch sehen wollen, muss eine andere Lösung her, um dahin zu kommen.
Tatsächlich finden wir auf der Karte unserer Park Broschüre eine dünne weisse gestrichelte Linie, die vom Saline Valley her zu unserer gewünschten Destination, der Racetrack Playa führt. «Road conditions require experienced 4-wheel drivers» steht da in roten Lettern nebendran. Obgleich der anfänglichen Unsicherheit, ob die Strecke zu schwer für uns sein könnte, entscheiden wir uns dafür den Lippincott Pass zu fahren. Umkehren ist ja jederzeit möglich, denken wir …
Der Tag beginnt wundervoll. Gleich nach Verlassen des Nationalparkgebiets in westlicher Richtung biegen wir von der Hauptstrasse 190 in eine Wellblechpiste ab. Diese Strasse führt uns ins Saline Valley, von wo aus dann besagte 4x4-Strecke startet. Wir holpern durch die Einöde und klares Morgenlicht vorbei an ein paar Joshua Trees, haben vom South Pass einen fantastischen Ausblick aufs Panamint Valley und befinden uns danach schon bald an der Abzweigung zum Lippincott Pass.
Der Start beginnt problemlos. Ausser uns ist hier keine andere Menschenseele. Wäre da nicht das Rattern unseres Motors zu hören, würde uns Totenstille umgeben. Nach ein paar Kilometern beginnt die erste Steigung und wir sehen schon, dass der breite ebene Weg immer schmaler wird und immer wie mehr Geröll auf der Fahrbahn verteilt ist, das es zu umfahren oder überwinden gilt.
Wir kommen bis an eine Stelle mit – für unseren Geschmack – grenzwertiger Schräglage. Wir steigen aus und analysieren die Situation. Keine Ahnung, wie man sowas am besten fährt! Und damit noch nicht genug. Mal angenommen, wir schaffen das schräge Stück, wartet gleich danach die nächste Herausforderung auf uns. Da gilt es eine Geröllhalde mit riesigen Felsbrocken zu durchqueren. Das Ganze gleicht eher einem Flussbett als einem fahrbaren Weg, eine Strasse ist nicht mehr wirklich zu erkennen. Unser genialer Plan umzukehren, falls wir uns bei einer Stelle nicht sicher sind, funktioniert in diesem Moment nun leider herzlich wenig! Die Strasse ist viel zu schmal und neben mir geht es 20 Meter ins Tal runter. Die einzigen Möglichkeiten sind: 1) Im Rückwärtsgang alles zurück – was aber auch nicht sehr sexy ist aufgrund von eingeschränkter Sicht und mangelnder Manövrierfähigkeit oder 2) die Flucht nach vorne!
Wir schauen uns wortlos an und wissen: Da müssen wir jetzt durch. Alles andere wäre noch viel gefährlicher …
… in diesem Moment kommt ein anderes Pärchen mit einem Jeep Wrangler von hinten angefahren. Sie halten an, es werden ein paar Worte ausgetauscht und schliesslich sehen wir, wie sie das Stück vor uns locker hochfahren. Wir sind heute noch froh über diese Begegnung. Der Typ konnte uns in dem kurzen Gespräch unsere Zweifel nehmen und schliesslich sind wir nach dem Live-Exempel überzeugt, dass auch wir mit Baloo den Pass hochkommen werden.
Noch kurz den Zuckerhaushalt mit einem Riegel aufbessern und dann geht es los:
Ich stehe draussen und versuche Mathias so gut es geht Anweisungen zu geben – er fährt los … und dann stockt mir schon das erste Mal der Atem als ich sehe, wie die Reifen in der schrägen Stelle Halt verlieren und das ganze Fahrzeug leicht in Richtung Abgrund rutscht … zum Glück wird es schnell wieder ebener, so dass wir die erste knifflige Stelle unbeschadet überstehen.
Doch dann kommt erst der richtig krasse Teil. Mathias fährt drauf los, ich versuche ihm zu deuten über den grossen Stein vor ihm zu fahren, er sieht ihn aber nicht richtig und landet eine Reifenbreite daneben. Kurze Zeit geht nichts mehr. Das eine Vorderrad hängt in der Luft, die Vorder- und Hinterachse sind in entgegengesetzte Richtung verschränkt und das rechte Hinterrad dreht durch beim Gas geben. Ich befürchte das Schlimmste. Haben wir jetzt gerade unser Auto kaputt gemacht?
Mathias tritt weiter aufs Gaspedal … und plötzlich … wie aus Zauberhand hat er wieder Grip und bewegt sich weiter vorwärts. Phu, das war mit Abstand das Nervenaufreibendste Erlebnis ever! Mein adrenalingetränkter Körper hat nun genug Energie den ganzen Pass hochzulaufen und jede bevorstehende Stelle noch so genau anzuschauen und zu analysieren. Mathias kommt mit Baloo in Low Range und Schritttempo hinterher. Der Rest des Passes war nur noch Formsache!
Oben angekommen mischen sich die Gefühle von Erleichterung, Stolz, Erschöpfung und Genugtuung in uns und wir brauchen erst mal eine Pause. Ein noch grösserer Stein fällt uns vom Herzen als wir lesen, dass es auf der eben gefahrenen Strecke keinen Bergedienst des Nationalpark Service gibt. Ob wir den Lippincott im Wissen dieser Tatsache gefahren wären, ist mehr als unwahrscheinlich.
Nach dem wohlverdienten Lunch machen wir uns dann endlich zur Racetrack Playa auf. Dies ist eine riesige ausgetrocknete Ebene, auf der sich Steine - teils in beachtlicher Grösse - auf ominöse Art und Weise fortbewegen. Es zeugen nur Spuren davon, dass sie ihre Position wechseln, eine tatsächliche Bewegung konnte jedoch noch nie jemand beobachten. Zumindest blieb die Fortbewegung der Steine bis 2014 ein Mysterium, denn eine wissenschaftliche Erklärung konnte erst vor vier Jahren geliefert werden. Bis dahin gab es unzählige Theorien über die «wandernden Felsen». Schliesslich konnte mithilfe von GPS und Zeitraffer-Aufnahmen bewiesen werden, dass sehr dünne Eisschichten für die Bewegungen verantwortlich sind. Wenn diese nämlich schmelzen, reichen nur sehr geringe Windgeschwindigkeiten aus, um die Steine voranzutreiben. So legten Einige Strecken von bis zu 224 Meter zurück mit einer Geschwindigkeit von bis zu 5 Metern pro Minute.
Nach dem faszinierenden Anblick dieser mit Steinen besetzten Racetrack Playa machen wir uns auf den Rückweg. Über die Teakettle Junction fahren wir ins Hidden Valley und kommen schliesslich über die Hunter Mountain Road wieder zum South Pass und können kurz vor Sonnenuntergang nochmals den wundervollen Ausblick auf das Panamint Valley geniessen.
Als wir unseren Schlafplatz beziehen, hat sich der Tag längst in die Nacht verwandelt. Wir sitzen noch einen Moment draussen und lassen den langen Tag bei einem Feierabendbier ausklingen. Der volle Mond leuchtet heute so hell, dass wir die Umrisse unserer Gestalten im Moonshadow erkennen können. Und diesmal sind wir auch nicht allein. Lautes Kojoten Geheul verrät weitere Anwesende. Wie wir so in den Sternenhimmel schauen und die Milchstrasse suchen, erhellt plötzlich noch ein anderes Licht das Himmelszelt. Ein riesiger Schweif zeichnet sich quer durch das ganze Schwarz ab und beschert uns einen perfekten Abschluss im Death Valley Nationalpark.
Wunsch ist Wunsch!
- Ausserhalb des Parks tanken (z.B. in Beatty), denn im Park kostet die Gallone Diesel über 5 USD.
- Bei den meisten Attraktionen gibt es sogenannte «Ranger Talks», bei denen mal viel Interessantes über den jeweiligen Ort und den Park erfährt. Genaue Infos dazu gibt es im Visitor Center in Furnace Creek.
- Im Winter ist das Klima sehr angenehm, im Sommer wäre für uns eine Reise ohne AC unvorstellbar gewesen, da oft Temperaturen über 50°C gemessen werden.
- Im Death Valley ist es an einigen Stellen erlaubt wild zu campen, wenn man eine Meile von der Strasse weg ist. Wo genau es erlaubt ist, erfährt man im Visitor Center in Furnace Creek.
- Infos zu Strassenverhältnissen von Offroadstrecken im Hinterland gibt es in dieser Facebook Gruppe.