Heisse und kalte Wasser
Wir verbringen nun schon das zweite Mal in Folge Weihnachten fern von zu Hause. Letztes Jahr waren wir in San Francisco bei den weihnachtsverrückten Amis. Das Beschallt-Werden mit Weihnachtsklassikern und blinkende Lichter auf unseren Netzhäuten waren damals Dauerzustand. Hier in Lateinamerika sieht man lediglich ein bisschen Lametta an einem künstlichen Tannenbäumchen, wenn man Glück hat. Mit anderen Worten: Es kommt bei uns kaum Weihnachtsstimmung auf. Die Feiertage verbringen wir bei der Finca Ixobel und geniessen einfach mal zwei Tage das Nichtstun. Natürlich verbinden wir uns kurz per Videoanruf mit unseren Familien in der Schweiz und wünschen uns gegenseitig alles Liebe. Am Abend des 25igsten kommen wir dann aber doch noch in den Genuss eines Weihnachtsmenüs. Mit Josh, einem Solo-Overlander aus Santa Cruz und den zwei Dortmundern Jutta & Christian (www.cooltouren.wordpress.com) sitzen wir am Abend bei Turkey, Gravy, Stuffing, verschiedenen Salaten und leckeren Pecan & Pumpkin Pies zusammen und sind in dem Moment froh, die Feiertage in netter Gesellschaft verbringen zu dürfen. Am nächsten Tag fahren wir weiter nach Río Dulce. Dies ist ein kleiner Ort am Lago de Izabal. Von hier aus könnte man mit einer Bootstour das an der Karibikküste Guatemalas liegende Livingston, besuchen. Dies lassen wir aber sein, Belize ist ja noch nicht lange her... Stattdessen versuchen wir im Ort selbst etwas in unsere Mägen zu bekommen, da sich der kleine Hunger gemeldet hat. Diese Mission entpuppt sich als schwieriger als man meinen könnte. Nicht, weil es Río Dulce an Restaurants mangelt. Nein, die Strassenführung ist hier wieder einmal sehr … hmmm … kreativ gestaltet. Wenn man nicht gerade das richtige Schlupfloch zwischen den Früchteständen, Autositzbezüge-Verkäufern und Smartphone-Reparateuren findet, fährt man über die Brücke ehe man sich versieht und somit aus dem Ort raus. Beim dritten Versuch schaffen wir es aber auch und nehmen nach der Stärkung noch die letzte Etappe für heute in Angriff. Die El Paraiso Wasserfälle sind unser Ziel.
Give me, Give me, Give me your…
Schon von Weitem sehen wir eine Meute Kinder auf uns zu rennen. «Give me pence, give me pence» schreien sie und halten ihre kleinen ausgestreckten Händchen durch unsere Autofenster. Ein aufmüpfiger Junge springt sogar auf’s Trittbrett auf und hält mir seine offene Hand vor die Nase. Ich nehme einen Kugelschreiber aus der Mittelkonsole und reiche ihn einem der Mädchen. Sie schnappt ihn sich, reicht ihn eine Reihe nach hinten weiter, um mir gleich erneut ihre Hand entgegenzustrecken. «More pence, more pence», verlangt sie eindringlich. Ich bin in dem Moment leicht überfordert, eine so schlimme Bettelei haben wir seit Afrika nicht mehr erlebt! Wir lösen das Problem, indem wir die Fenster hochkurbeln und weiterrollen.
Eigentlich wollen wir nur zum heissen Wasserfall, den es hier gibt. Dieser befindet sich genau genommen auf öffentlichem Grund und wäre somit «Allgemeingut». Natürlich verlangt die Familie, vor deren Hütte wir vorbeifahren müssen, um zum Parkplatz zu kommen, aber einen Wegzoll. Ein scheintoter gebückter Mann hält uns an und reibt die Fingerspitzen seiner linken Hand aneinander. Als wir darauf mit «Cuánto me cobra» - «Wie viel verlangen Sie?» reagieren, schaut er zur massiv jüngeren, fetten, Däumchen drehenden Trulla im Schaukelstuhl am Schatten rüber, die ihm sodann den lächerlichen Betrag von 100 GTQ (=13 CHF) entgegenschreit. Wir einigen uns schliesslich auf 40 GTQ und werden durchgelassen.
Den Wasserfall haben wir leider nicht für uns allein, aber das Bad im warmen Wasser ist trotzdem sehr entspannend. Die Temperatur ist gerade richtig, so dass wir uns ewig vom fallenden Wasser duschen lassen könnten. Kurz bevor sich Schwimmhäute zu bilden beginnen, brechen wir aber wieder auf und schlagen einen etwas abenteuerlicheren Weg ein …
Knappe Sache
In El Estor biegen wir rechts ab und tauschen Asphalt gegen Dirtroad. Die ersten Kilometer sind mühsam, da wir hinter vollgeladenen Trucks, die in dieser Gegend zwischen den verschiedenen Minen abgebaute Erze hin und her karren, in einer riesigen Staubwolke mit null Sicht hinterher fahren müssen. Aufgrund der schlechten Sicht müssen wir leider auch mit ansehen, wie ein kleines Schweinchen einem entgegenkommenden Lastwagen zwischen die Räder rennt und das Zeitliche segnet.
Als wir die Trucks endlich hinter uns gelassen haben, fahren wir auf wunderschöner Strecke durch die Berge Guatemalas, wo die Frauen noch Tracht, die Männer Macheten und die Kinder ihre Geschwister tragen. Die Strasse ist holprig, aber gut befahrbar. Nur einmal wird es eng, als wir durch einen Dorfmarkt fahren müssen, der auf der einzigen Durchfahrtsstrasse aufgebaut ist. Wir manövrieren Baloo mit Millimeterarbeit zwischen den Verkaufsständen durch. Zum Glück richten wir keinen Schaden an, wobei die Vendedoras ihre Melonen schon ganz schön festhalten müssen.Erst bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir den Ort Lanquín und finden bei der Retiro Lodge einen perfekten Platz für die Nacht. Am nächsten Morgen nehmen wir den Weg nach Semuc Champey unter die Räder. Viele haben uns von der «halsbrecherischen» Strasse dahin gewarnt. So schlimm finden wir sie aber gar nicht und kommen nach ca. 45 Minuten heil bei unserem Ziel an. Bei der Attraktion «Semuc Champey» handelt es sich um türkisfarbene Wasserbecken aus Kalkstein, die vom Fluss Cahabón gespeist werden. Interessant dabei ist, dass der Fluss unter der Kalksteinbrücke durchfliesst. Die Wanderung zum Aussichtspunkt auf die Pools ist ganz schön anstrengend. Umso besser, dass man sich danach im klaren Wasser abkühlen kann.