Gezeitenspektakel und Überraschungsangriff
Nachdem wir das wunderschöne Cape Breton verlassen haben, nähern wir uns der Bay of Fundy. Diese liegt zwischen den beiden Provinzen Nova Scotia und New Brunswick und ist vor allem für Eines bekannt: Hier kann man die grössten Gezeitenunterschiede der Welt beobachten. Wenn man sich der Region nähert, merkt man schnell, dass sich hier alles um dieses Thema dreht…und um Whale Watching. Hier tummeln sich die verschiedensten Arten von grossen Meeressäugern (u.a. Blau- und Grauwale, Belugas, Orcas, Buckel-, Finn-, oder Minkwale). Auf eine Tour haben wir aber zugunsten des Achtelfinalspiels der Schweiz verzichtet. Da haben wir wohl den Kürzeren gezogen.
Dafür beobachten wir in Truro die «Tidal Bore» (Gezeitenwelle). Dieses Phänomen tritt nur an wenigen Orten auf der Welt auf, kann hier aber bestens beobachtet werden. Bei Flut wird Wasser in eine Flussmündung gedrückt (hier: Salmon River). Daraus entsteht eine Welle, die sich flussaufwärts bewegt und je nach Mondphase 3-4 Meter hoch werden kann.
Einen Tag später treffen wir unsere Freunde Eckard und Frederike in Burntcoat Head und bestaunen gemeinsam das Gezeitenspektakeln, das sich hier bestens verfolgen lässt. Das Wasser steigt / sinkt bis zu 16m! zwischen Ebbe und Flut. Man kann förmlich dabei zusehen, wie sich der Pegel ändert. Alle sechs Stunden ist Low bzw. High Tide, das Wasser bewegt sich also sagenhafte 2,5cm pro Minute.
Ich sitze also da am Rande des Wassers, schaue auf das weite Blau hinaus, das zu den grün bewaldeten Ufern einen netten Kontrast auf meiner Linse abbildet. Die Sonne scheint bei 30 Grad und es weht eine leichte Brise, die meine Körpertemperatur auf «Sehr angenehm» einstellt. Alles könnte so schön sein…
…wären da nicht diese fiesen Stechmücken, die mich lieben. Es scheint, als hätten sie es nur auf mich abgesehen. Da sind so viele andere potentielle Opfer, aber ich scheine ihr auserwähltes Ziel zu sein. Kaum mache ich einen Schritt ins Freie schiessen sie wie die Geier auf mich zu und stecken ihre blutrünstigen Rüssel in meine Haut und saugen mich aus. Elende Parasiten!
Am Abend kann man Angst kriegen ab den Geräuschen in den Baumwipfeln. Da summt es, wie tausende von Flugzeugpropellern. Wie eine Armee warten sie da im Hinterhalt und planen ihren Überraschungsangriff. Im Morgengrauen, auf dem Weg zum Klo, schlagen sie dann erbarmungslos zu – dann, wenn man es am wenigsten erwartet. Horror!
Ich ertrage schon gar nicht mehr den Anblick meines Spiegelbilds. Ich sehe aus, wie wenn die Spitzenplattern (schweizerdeutsch für: Windpocken) ausgebrochen wären. Oder, wenn man Mathias glauben will: die Beulenpest. Überall rote, geschwollene Stellen, die nicht mehr abklingen wollen. Wurde man Opfer dieser Biester, ist man nachher tagelang verwundet. Das schlimmste daran: man sieht sie nicht einmal, wenn sie zuschlagen, wird erst durch den juckenden Stich auf sie aufmerksam. Erst wenn sie vollgesogen sind mit meinem Blut werden sie träge. Dann schlage ich zurück!
Mathias interessiert das Ganze herzlich wenig, hat er ja den besten Mückenschutz immer bei sich: nämlich mich.
Mir bleibt, aber nichts anderes übrig, als das DEET-Spray aus den Tiefen unseres Toyotas zu kramen, welches diese Aggro-Mücken von mir fernhalten sollte. Empfohlen wird, sich nur bedingt damit ein zu sprayen, ich giesse aber lieber die halbe Flasche über mich – sicher ist sicher. Bleibt nur zu hoffen, dass ich dieses Höllenszenario überlebe angesichts der aufgedruckten Nebenwirkungen.