Gestrandet in Cody, Wyoming
Vorwarnung: Dies ist ein laaanger Technikbericht, da wir kürzlich ein paar Probleme mit unserem Auto hatten. Für alle, die nicht so automobilaffin sind, es lohnt sich nicht weiter zu lesen…
« Cody, Wyoming…it’s a shithole » (Steve Carpenter, 2018).
Wahre Worte, zumindest in unserem Fall. Wir haben 5 Tage in diesem Kaff mitten im Nirgendwo festgesessen. Dabei hatte alles ganz entspannt begonnen. Unser Plan war es, uns in diesem kleinen, aber touristischen Ort (es gibt mehrere Sehenswürdigkeiten und Attraktionen), der etwa 80km vom Yellowstone Nationalpark entfernt liegt, auf ebendiesen vorzubereiten. Materialtechnisch und mental. Der Besucheransturm in den Sommermonaten soll ja der blanke Horror sein. Um dem zu entkommen, haben wir uns in Cody eine geeignete Route zurechtgelegt und ein paar Übernachtungsplätze fernab der Hotspots herausgesucht. Und natürlich mussten wir unsere Vorräte für die Tage im Park aufstocken. Einmal über die Parkgrenze gefahren, steigen die Preise für jegliche Dinge nämlich ins Unermessliche. Konkret hiess das in unserem Fall: Kühlschrank und Wasser auffüllen und einmal volltanken.
Letzteres war an diesem Tag mein Part (übrigens das erste Mal, dass ich auf dieser Reise getankt habe) und von da an nahm die ganze Misere ihren Lauf…
Tag 1:
Nur wenige Meter nach dem Tanken (bei Mobil, der grössten Tankstelle im Ort) bemerken wir, dass der Motor nicht mehr rund läuft, stottert und einige Aussetzer beim Gas geben hat. Der Blick in den Rückspiegel bestätigt unsere Vermutung, dass etwas nicht stimmt. Wir sehen weisse Rauchwolken aus dem Auspuff austreten. Mathias hatte schon vor dem Start dieser Reise viele Berichte in Foren von anderen Reisenden gelesen, die ebenfalls mit einem Toyota Landcruiser HZJ in Nordamerika unterwegs waren und von ähnlichen Problemen berichteten. Oftmals wurde dabei das Auftreten von weissem Rauch auf eine schlechte Dieselqualität (Wasser im Diesel) oder die Höhe zurückgeführt. Da wir einen Tag zuvor noch über einen Pass von 3000 M.ü.M. gefahren sind, dabei keinerlei Probleme hatten (weder Rauch noch Leistungseinbussen) und uns nun auf 1500 M.ü.M. befinden, schliessen wir diesen Grund direkt aus und sind überzeugt, dass es am Diesel liegen muss (auch da das Problem sehr akut nach dem Tanken auftrat).
Wir beschliessen also, den gesamten getankten Diesel (65 Liter) direkt wieder abzulassen und neu zu tanken. Hierfür fahren wir zur erstbesten Werkstatt (McCue) und beauftragen diese mit unserem Anliegen. Schnell bemerken wir, dass diese Leute 0,0 Ahnung haben. Weder von unserem Auto und Motor (was mir ja noch einleuchtet, da diese hier fast gänzlich unbekannt sind), nein…auch von Kraftstoff, geschweige Diesel verstehen sie nix. Als erstes stossen wir auf viel Unverständnis, einen ganzen Tank «wertvollen» Diesel einfach versenken zu wollen, können den Hobbymechaniker, der im Basketball-Outfit plötzlich aus dem Hinterhof auftaucht, dann aber trotzdem überzeugen es zu tun. Nach kurzer Zeit schnüffelt er zweimal kurz an der ausgepumpten Flüssigkeit, schaut mich an und ist sich dann zu 100% sicher: «You filled in gas instead of diesel».
Frechheit! Ich bin zwar blond und verstehe nichts von Autos, aber die richtige Zapfsäule an der Tankstelle, wo DIESEL draufsteht, kann ich sehr wohl erkennen.
Nichts desto Trotz…nach Auspumpen des gesamten Tanks füllen die Burschen, die übrigens etwa zu Dritt eine Stunde lang der Pumpanlage zugesehen haben und nichts anderes zu berichten hatten, als dass wir so coole Armeegewehre in der Schweiz hätten, 10 Gallonen neuen, natürlich 1A-Diesel ein.
Eine kurze Testfahrt später werden wir mit der ernüchternden Tatsache konfrontiert: Das Problem besteht nach wie vor und der Zustand ist unverändert. Uns wird aber versichert (kurz vor Feierabend), dass sich das Problem in ein paar Kilometern in Luft auflösen wird und wir beruhigt weiterfahren können. Der ganze Spass hat uns übrigens 213 Dollar für 2 Stunden «Arbeit» gekostet *würg*.
Wir fahren wütend und enttäuscht zugleich davon und ziehen dann erstmal das Buschtaxi-, sowie Ih8mud-Forum zu Rate. Nur kurze Zeit nach Schilderung unseres Problems erhalten wir viele Antworten und Ratschläge. Sie reichen von «Ich würde keinen Kilometer mehr fahren» bis zu «macht euch nicht zu viele Sorgen».
Ein wichtiger Hinweis ist, dass weisser Rauch immer ein Zeichen für Kühlwasser im Diesel, also eine kaputte Zylinderkopfdichtung sein kann, was dann eine teure Reparatur zur Folge hätte. Nach Kontrolle der Flüssigkeiten können wir diesen Fall aber ausschliessen. Zudem wechseln wir auf dem Parkplatz vom Walmart noch den Dieselfilter und den Filter des Separ-Wasserabscheiders, den wir zusätzlich eingebaut haben. Beide sehen für uns sehr sauber aus.
In diesem Moment fährt Steve vorbei, der selber einen Diesel-Pickup fährt und meint er hätte das Problem bei seinem Fahrzeug auch schon gehabt. Er scheint etwas Ahnung von älteren Motoren zu haben und ist sich sicher, dass wir definitiv schlechten Diesel erwischt hätten. Die Qualität bei der Mobil-Tankstelle sei zwar nicht die Schlechteste, aber er bevorzuge definitiv den Diesel von Exxon. Zudem fahren momentan hunderte von riesigen Wohnmobilen auf ihrem Weg zum Yellowstone hier vorbei und würden die Tanks geradezu leersaugen. Es könne also gut sein, dass wir von einem fast leeren Tank Diesel eingefüllt und dadurch die Flüssigkeit vom Boden erwischt hätten, wo sich allfälliges Wasser sammelt.
Auf Steve’s Rat hin füllen wir den halbvollen Tank (zu den 10 Gallonen der Werkstatt) mit Diesel von Exxon auf und geben noch eine gute Menge ATF (Getriebeöl), sowie etwa die doppelte Menge vom Howles Additiv (Dieselschmiermittel), das wir schon die ganze Zeit in den USA verwendet haben, bei.
Er meint wir sollen morgen die 80km bis zum Yellowstone fahren, er sei sich ziemlich sicher, dass sich der Zustand verbessern und der Rauch mit der Zeit verschwinden wird («I’m pretty sure you will be fine. Just drive and get the hell out of Cody, Wyoming…it’s a shithole»). Die Nacht dürfen wir bei ihm zu Hause auf dem Vorplatz verbringen. Mit einem guten Gefühl schlafen wir ein.
Tag 2:
Gesagt, getan…wir fahren früh morgens die gesamte Strecke bis zum «East Entrance» des Yellowstone. Leider verbessert sich aber unsere Situation kein Stück. Der weisse Rauch ist mittlerweile noch übler geworden und ähnelt zeitweise eher weissem dichtem Qualm. Auch der Motor läuft noch schlechter, hat immer wieder Aussetzer und stottert. In Anbetracht, dass wir nach Einfahrt in den Park gleich einen Pass von 3000 M.ü.M. überwinden müssten und die Abschleppkosten horrend wären, beschliessen wir wieder zurück nach Cody zu fahren.
Schon gestern hat uns Steve geraten, dass wir in diesem Fall zu der Werkstatt Wyoming Diesel Power gehen sollen, da diese mit Abstand am meisten Ahnung von Dieselfahrzeugen weit und breit hätten. Dies machen wir auch. Jedoch teilt man uns ehrlicherweise, nach Schilderung unseres Problems, gleich mit, dass sie uns nicht helfen können, da sie unser Fahrzeug nicht kennen.
Es muss also eine andere Lösung geben.
Fahren wollen wir aber keinen Meter mehr, da wir etwas Schlimmeres an der Einspritzpumpe oder den Injektoren befürchten und den Schaden mit zusätzlichem Fahren nur verschlimmern würden.
Durch einen Bericht von anderen Overlandern werden wir auf die Werkstatt 4Wheel Auto in Edmonton aufmerksam, einem Spezialisten für Toyota-Dieselfahrzeuge. Wir rufen also dort an und es nimmt glücklicherweise auch gleich Dan, der unser Autotyp gut kennt, ab. Er meint unser Problem zu kennen und gibt uns den Tipp, den Motor mit dem Mittel «Liqui Moly Diesel System Cleaner (LM2032)» zu spülen.
Wir kehren zu Wyoming Diesel Power zurück und fragen, ob sie dieses Mittel kennen oder wir andernfalls ihre Adresse nutzen können, um es zu bestellen. Die Angestellten sind äusserst hilfsbereit und telefonieren gleich alle möglichen Lieferanten ab. Es scheint es niemand zu kennen in der Umgebung, wir können es dann aber express über Nacht hierher bestellen, so dass morgen die Maschine durchgeputzt werden kann. Über Nacht dürfen wir auf dem Parkplatz von Wyoming Diesel Power übernachten.
Tag 3:
Das bestellte Liqui Moly wird kurz vor Mittag angeliefert, so dass wir nach der Mittagspause gleich mit dem Reinigen des Einspritzsystems beginnen können. Wir öffnen den Dieselkreislauf direkt vor der Einspritzpumpe und lassen 80% einer Flasche Liqui Moly (1 Liter) pur bei laufendem Motor zirkulieren, so dass Pumpe und Einspritzdüsen gereinigt werden. Die restlichen 20% kippen wir in den Dieseltank. Das Wundermittel wirkt. Nur nach wenigen Sekunden verschwindet der weisse Rauch komplett und der Motor schnurrt wieder wie eh und je. Ausserdem springt der Motor nach der Zündung urplötzlich an (schneller als vorher).
Wir schliessen den Kreislauf wieder und lassen den Motor im Leerlauf ganz normal mit Diesel aus unserem Tank weiterlaufen. Die Mechaniker staunen nicht schlecht und wir lassen schon fast die Korken knallen («Ich nenne dieses Mittel von nun an nur noch «Holy Moly»). Das Problem scheint gelöst zu sein. Wir packen alles zusammen und machen uns für die Abfahrt bereit, als nach ca. 10 Minuten im Leerlauf der Motor wieder zu stottern beginnt und erneut weisser Rauch entsteht. Nur diesmal ist es noch schlimmer als zuvor. Wir nehmen nun eine Unwucht wahr und insgesamt ist das Stottern stärker als vorher.
Also das ganze Spiel von vorne. Insgesamt haben wir 3 Flaschen Liqui Moly bestellt. Es ist Zeit für Nummer 2. Diesmal dauert es etwas länger, bis der Rauch verschwindet und das Stottern aufhört, aber der Motor erholt sich, bevor die 80% der Flasche verbraucht sind. Wir vermuten nun, dass das Problem an einem anderen Ort liegt, als am Einspritzsystem. Evtl. Luft im Kreislauf? Aber auch nach langem Suchen können wir keine feststellen. Wir lassen nun den Motor wieder mit Diesel aus einem externen Kanister (ohne Additive, aber gemäss Wyoming Diesel Power von bester Qualität) laufen. Das Resultat ist vernichtend. Wir können nun den Motor fast nicht mehr Starten und er stirbt im Leerlauf beinahe ab. Vom anhaltenden weissen Rauch ganz zu Schweigen. Es sieht gar nicht gut aus.
Wir kontaktieren erneut Dan von 4Wheel Auto, welcher uns empfiehlt als nächsten Schritt den Einspritzdruck und das Spritzmuster der Düsen zu kontrollieren. Wyoming Diesel Power ist weit und breit die einzige Garage, die überhaupt ein Prüfgerät hat, aber natürlich verfügt dies nicht über die richtige Grösse für unsere Düsen. Kurz vor dem Nervenzusammenbruch überlegen wir, welche Möglichkeiten wir haben.
- Irgendwo einen Adapter für das Prüfgerät auftreiben, um die Düsen bei Wyoming Diesel Power prüfen zu lassen: Dauer wahrscheinlich ewig und reparieren resp. revidieren könnte diese dann hier sowieso niemand.
- Die Einspritzpumpe und die Düsen ausbauen, nach Edmonton zur Prüfung schicken und nach Rücksendung wieder einbauen: Würden wir wahrscheinlich mit Hilfe der Mechaniker hier schaffen, aber dauert mindestens 2 Wochen. An die Versandkosten wollen wir gar nicht erst denken.
- Abschleppen lassen in die nächst grössere Stadt (z.B. Idaho Falls), wo sich im besten Fall jemand finden lässt, der etwas von unserem Motor versteht und uns helfen kann: Praktisch unmöglich, da die Abschleppkosten nicht zu finanzieren sind.
Wir sind ratlos und rufen in unserer Verzweiflung das letzte Mal Dan an. Er hat noch eine letzte Lösung in petto. Er rät uns noch den Separ-Wasserabscheider vom Kreislauf zu trennen und dann eine Probefahrt auf dem Highway zu machen. Mathias fährt und ich schaue genau, ob ich eine Veränderung des Rauchausstosses erkennen kann. Tatsächlich. Nur nach wenigen Metern bei Tempo 80 verschwindet der Rauch und ist danach nur noch schwach beim Starten des Motors reproduzierbar. Auch der Motor läuft nun deutlich besser. Keine Aussetzer mehr beim Beschleunigen und auch sonst fühlt es sich wieder normal an. Das Einzige was bleibt, ist eine Unwucht, wenn wir den Motor im Leerlauf laufen lassen.
Daraufhin entschliessen wir noch einen weiteren Tag in Cody zu bleiben, um eine etwas längere Testfahrt zu machen und dann endgültig zum Yellowstone aufzubrechen, wenn sich der Zustand nicht wieder verschlechtert.
Tag 4:
Wir machen eine Testfahrt aus Cody raus von insgesamt ca. 50km. Der Zustand bleibt gleich. Wir können keine Leistungseinbusse wahrnehmen, der Verbrauch scheint auch OK zu sein und der weisse Rauch tritt nur beim Starten des Motors sowie beim Anfahren auf und verschwindet dann gänzlich.
Tag 5:
Früh morgens fahren wir mit einem guten Gefühl los. Wir tanken in Cody nochmals voll, da dies noch die letzte Gelegenheit zu humanen Preisen vor dem Park ist und geben zum Diesel noch die doppelte empfohlene Menge des Additivs «Standadyn» bei, das uns Wyoming Diesel Power geschenkt und empfohlen hat (gibt es auch im Walmart zu kaufen). Dies tun wir wieder bei der Mobil-Tankstelle, bei der das ganze Problem angefangen hatte. Es ist aber die grösste und fast einzige Tankstelle im Ort und wir glauben mittlerweile nicht mehr, dass der Rauch an schlechtem Diesel gelegen hatte. Bis zum Parkeingang läuft alles einwandfrei. Da der Park aber auf einem Hochplateau von ca. 2400 M.ü.M. liegt, legen wir einige Meter an Höhe zu (Cody liegt auf 1500 M.ü.M.) Auf ca. 2000 M.ü.M. tritt erneut anhaltender weisser Rauch auf. Er ist aber etwas weniger dicht als noch in Cody und zeitweise auch eher puffmässig und nicht durchgehend. Auch der Motor läuft immer noch einwandfrei und mit voller Leistung. Wir wollen auf keinen Fall zurück nach Cody, weshalb wir beschliessen einfach weiter zu fahren, die Entwicklung des Rauchs im Auge zu behalten und die Zeit im Yellowstone zu geniessen.
Tag 6:
Wir fahren zum Grand Teton Nationalpark und wieder zurück. Der Tank ist beinahe leer, das Problem mit dem Rauch war dauerhaft dasselbe. Beim Gas geben traten weisse Rauchwolken aus, der Motor lief aber die ganze Zeit rund. Wir konnten keinen Unterschied bei unterschiedlichen Höhen feststellen. Wir befanden uns immer zwischen 1900 und 2500 M.ü.M.
Wir tanken also Diesel im Park und geben wieder die doppelte empfohlene Menge Standadyn bei. Und siehe da: Nach wenigen Kilometern verschwindet der Rauch gänzlich und das Auto fährt sich wieder, wie nichts gewesen wäre.
Unser Fazit:
Wir gehen nun sehr stark davon aus, dass mit der Einspritzpumpe und den Düsen alles in Ordnung ist und das Problem tatsächlich vom Diesel in Zusammenhang mit der Höhe herkam. Vor Cody sind wir ca. 7000 Kilometer in Nordamerika gefahren ohne ein Problem zu haben. Wir haben erst etwa in der Hälfte der Strecke begonnen dem Diesel ein Additiv beizumischen (Howes), als das erste Mal an der Zapfsäule «Low Sulphur Diesel» angeschrieben war. Mit «gutem» Diesel konnten wir so auf eine Höhe von 3000 M.ü.M. fahren ohne ein Problem zu bemerken. Mit dem Diesel von schlechterer Qualität in Cody, der übrigens wahrscheinlich im ganzen Ort derselbe war, tritt das Problem schon auf 1500 M.ü.M. auf. Das Spülen des Einspritzsystems mit dem Liqui Moly hat sicher nicht geschadet. Evtl. waren die Düsen tatsächlich etwas verschmutzt. Welchen Einfluss das Abtrennen des Separ-Filters aus dem Kreislauf hatte, können wir nicht sagen.